Peru Teil 2

Südamerika, das Abenteuer geht weiter!

Cuzco liegt auf 3.500 Metern Höhe und daran mussten wir uns wirklich erst wieder gewöhnen. Nachdem wir für einige Monate zu Hause waren, um unsere Reisekasse aufzubessern, kamen uns die 200 Meter Höhenunterschied zwischen Innenstadt und Campingplatz, wo unser Jeep geparkt war, unbezwingbar vor und wir erinnerten uns lebhaft an die Vulkanbesteigung in Equador. Der Leser mag sich an dieser Stelle wundern, was mit Macchu Pichu passiert ist, wurde es doch im letzten Kapitel noch groß angekündigt. Nur so viel: lächerlich hohe Preise, hunderte Touristen und so viele Verbote in blankgeputzten Ruinen mit kurz geschnittenem Rasen haben diesen Tripp zu einer herben Enttäuschung werden lassen und unsere Erlebnisse im weiteren Verlauf der Reise ließen diese wohl bekannteste Sehenswürdigkeit Südamerikas einfach verblassen. Unser Auto hatte die «Überwinterung» gut überstanden und nach ein paar Tagen waschen und aufräumen waren wir klar zur Weiterfahrt. Vorher mussten wir „nur“ noch einige Dinge mit dem lokalen Zoll klären, der sich dazu bereit erklärt hatte, unser Auto länger als die in Peru üblichen 90 Tage im Land zu dulden. Es blieb bis zum Schluss spannend, ob wir fahren dürften oder doch noch irgend ein Formular fehlte, daran waren wir inzwischen schließlich gewöhnt. Überraschenderweise ging aber alles reibungslos und wir durften losfahren; blieb nur zu hoffen, dass es an der Grenze nach Bolivien genauso einfach werden würde.

Tief im Urwald

Ganz fertig waren wir mit Peru aber noch nicht, da wir noch einen Besuch im Dschungel auf dem Wunschzettel hatten. Aufgrund matschiger, unsichere Straßen, Hitze und Insekten entschieden wir uns jedoch diesmal dafür, die Strecke nach Puerto Maldonado zu fliegen und dem Jeep noch ein wenig Ruhe zu gönnen. Von dort aus ging es dann mit dem Boot flussaufwärts in die „Monte Amazonico Lodge“, wo wir vier Tage verbrachten. Mitten im tropischen Urwald, wo einem statt Autolärm Grillen und Frösche den Schlaf rauben, sollten wir eine Menge einzigartiger Kreaturen zu Gesicht bekommen, die man zu Hause allenfalls aus dem Fernsehen kennt. Der erste Höhepunkt war eine Nachtwanderung. Im Schutz der Dunkelheit hatten eine Menge Insekten und Reptilien den Schutz ihrer Behausungen verlassen und sonnten sich im Mondschein. Schnell wurde uns klar, dass alles, was hier kreucht und fleucht, mindestens eine Nummer größer ist, als was wir von zu Hause gewohnt sind: Riesige Schnecken, ein Tausendfüßler, der über die ganze Hand reichte und große haarige Vogelspinnen. Mit einem kleinen Stock konnten wir ein Exemplar aus seiner Höhle im Boden locken und etwas näher in Augenschein nehmen. Spannend!

Die Bezeichnung „Amazonas-Regenwald“ kommt nicht von ungefähr, wie wir auf einer Wanderung zu einem See am eigenen Leib erfahren durften. Binnen Minuten verwandelte sich der ohnehin schon schlammige Weg in einen Bach und unsere Gummistiefel liefen so langsam voll. Schließlich lichtete sich das Wetter ein wenig und mit einem großen Kanu paddelten wir auf den See hinaus auf der Jagd nach Piranhas, leider erfolglos. Das einzige, was für ein wenig Unterhaltung sorgte, waren ein paar Affen, aber auch denen hatte das Wetter die Laune verhagelt. Dicht zusammengedrängt saßen sie in den Baumkronen und zeigten uns ihren Hintern, während ihre Schwänze lustlos hinab hingen. Als wir mit unseren Kanu wieder an Land kamen, waren die Gruppenleiter in heller Aufregung. Als wir unsere Tour am morgen starteten, erklärte uns unsere Führerin noch, dass wir auf jeden Fall auf dem Weg bleiben sollten, nichts berühren, auf keinen Fall Pflanzen beschädigen und so weiter. Nun bekamen plötzlich alle Bescheid, sich ins Gebüsch zu stürzen; irgendetwas aufregendes war also eindeutig im Gang. Natürlich kamen wir der Aufforderung umgehend nach, nicht ahnend, was uns da im Unterholz erwartete. Ungefähr sechs Meter lang und gute dreißig Zentimeter im Durchmesser lag da eine Anakonda unter einem Baum und verdaute wahrscheinlich gerade ihre letzte Mahlzeit. Die Chance, eine solche Schlange zu Gesicht zu bekommen, sei extrem niedrig und selbst für unsere erfahrenen Naturführer war diese Begegnung nichts alltägliches. Vorsichtig näherten wir uns dem Reptil und trotz der Beteuerung, es sei ungefährlich, war uns ein wenig unbehaglich. Die Schlange lag vollkommen reglos. Einziges Lebenszeichen waren ihre sporadischen Atemzüge, bei denen sich ihr Körper dehnte und man bekam eine Idee von der Kraft, die in diesem Geschöpf stecken musste.

Unsere restliche Zeit im Dschungel vertrieben wir uns auf Hängebrücken in den Baumkronen in der Lodge, mit dem Kajak auf dem Fluss, in dem Kaymane und riesige Baumstämme um die Wette schwammen und schließlich war es an der Zeit, den Flug zurück nach Cuzco zu nehmen und uns endlich mit Allradantrieb auf den Weg nach Bolivien zu machen.

Peru, Teil eins

Die Farbe der Saison ist Grau

Inkapyramiden, Lamas, Macchu Picchu, Die Linien von Nazca, die Hauptstadt Lima…

Kurz vor der Grenze nach Peru, mal wieder ein Camp irgendwo im Nirgendwo

Wir waren voller Erwartungen, als wir zusammen mit José, einem Kolumbianer, den wir von Baños aus mit nach Lima nahmen, die Grenze überquerten. Bekanntermaßen bilden jedoch hohe Erwartungen einen idealen Nährboden für tiefe Enttäuschung und so wurde die erste Woche im Land der Inkas zu einer echten Gedulds- und Nervenprobe. Es begann bereits an der Grenze. Wir hatten uns inzwischen dazu entschlossen, noch einmal für ein halbes Jahr nach Europa zurück zu kehren, teils aus Sehnsucht nach Freunden und Familie, teils um anschließend für den Rest unserer Südamerika-Tour und den langen Segeltörn in die Heimat finanziell gerüstet zu sein. Dafür war es notwendig, unseren Jeep für die Zeit sicher unterzustellen und da es bis zu unserem Flug nur noch vier Wochen waren, sollte dies auf jeden Fall in Peru geschehen. „No es possible!“- „Das ist nicht möglich!“ war die Antwort des Zöllners, als wir ihn nach einer Erweiterung der obligatorischen neunzig Tage Aufenthalt für das Auto fragten. Glücklicherweise war an dem kleinen Grenzübergang jedoch wenig Verkehr und wir hatten genug Zeit, ihm unsere Pläne zu erklären. So nach und nach fiel ihm dann doch ein, wie wir das Problem lösen konnten und nach einer halben Stunde waren wir ausgerüstet mit den Namen diverser Zöllner in Lima und Cuzco, seiner der Privatnummer, falls es noch Probleme gibt sowie einer Anleitung, wie und unter welchen Vorausetzungen und Vorwänden wir das Auto für eine längere Zeit im Land lassen könnten. Geschafft! Der berüchtigte Peruanische Zoll war überwunden und wir waren auf dem Weg nach Lima, wo wir uns mit Christina und Magnus treffen würden, einem befreundeten Deutsch-norwegischen Paar, das für vier Wochen mit uns durch Peru reisen würde.

Meist ging es geradeaus
Meist ging es geradeaus

Der Weg nach Lima führte durch die Wüste, für uns beide eine völlig neue und aufregende Erfahrung. So weit das Auge reichte, Sand und Geröll. Abschnittweise auch mal kleine schroffe Berge aber meist zog sich die Straße bis zum Horizont schnurgrade durch eine weite Sandebene. Ein paar mal fuhren wir zum Spaß einfach von der Straße runter in die Wüste, jedoch immer darauf bedacht, die Straße nicht aus den Augen zu verlieren. Mit der Sonne im Zenit und ohne Wind als Richtungszeiger wird einem schnell bewusst, wie leicht es sein muss, sich hier zu verirren. 

Wenn es zu langweilig wurde, konnte man schön im Sand spielen
Wenn es zu langweilig wurde, konnte man schön im Sand spielen

Unsere Hochstimmung über diese völlig neue Erfahrung verebbte schlagartig in der ersten Polizeikontrolle. Schönes Auto, Papiere und Versicherung alles in Ordnung, aha, wir seien aus Deutschland und Norwegen… Wir wiegten uns schon in Sicherheit, als der Polizeibeamte beiläufig bemerkte, dass wir ja aber ohne Licht unterwegs seien. Dabei steckte er schon mal Pauls Führerschein ein. Das Bußgeld seien 500 Soles, umgerechnet um die 140 Euro, die wir in der nächsten Stadt bezahlen könnten, um dann mit der Quittung hier den Führerschein wieder auszulösen. Es folgte ein Dialog, der für den Rest der Reise durch den Norden Perus typisch werden sollte:

Paul: „Haben wir denn nicht die Möglichkeit, dass irgendwie einfacher zu lösen? Wir haben es wirklich eilig und müssen vor dem Dunkelwerden noch einen sicheren Schlafplatz finden!“

Polizist: „Mmh, wieviel habt ihr denn dabei?“

Paul (kramt suchend in der Tür): „Ich habe hier noch zwanzig Dollar und (sucht in den Hosentaschen) noch ein paar Soles in bar. Mehr haben wir nicht, bezahlen meist mit Karte!“

Polizist: „Mmh. Schönes Auto! Wo wollt ihr denn hin?“

Es folgt ein kurzes belangloses Gespräch über unsere nächsten Reiseziele. Dann nach einer Weile:

Polizist: „Und was machen wir nun?“

Paul: „Das ist alles, was wir mit haben.“

Polizist nickt, hält mir die Hand zum Abschied hin, Paul gibt ihm die Hand, darin die zwanzig Dollar. Polizist gibt ihm seinen Führerschein zurück und wünscht uns freundlich eine gute Weiterfahrt.

Dieses Gespräch führten wir so mit kleinen Abwandlungen ungefähr vier bis fünf Mal, was unserer Laune nicht guttat. Dazu kam, dass die zuerst aufregend neue Wüste nach zwei Tagen extrem langweilig wurde. Zu allem Überfluss hatte der Himmel sich mit einem grauen Dunst überzogen und immer wenn wir uns einer Stadt näherten, kündigte sich dies schon zwanzig bis dreißig Kilometer vorher dadurch an, dass der Wüstenboden mit Müll überzogen war. Die vorherrschende Farbe war grau. Himmel: grau, Wüste: grau, Städte: grau. Selbst der Pazifikstrand und das Meer waren grau.

Es war...grau!
Es war…grau!

Den Höhepunkt dieser deprimierenden Einöde bildete dann die Hauptstadt. Hätten wir nicht versprochen, unsere Freunde hier abzuholen, hätten wir Lima wahrscheinlich auf der Stelle wieder verlassen. Zu dem nun schon gewohnten Grau kamen hässliche Fassaden in der gleichen Farbe und ein so vollkommenes Verkehrschaos, dass wir froh waren, in einem zwei Tonnen schweren Stahlkoloss zu sitzen, der mit reichlich Hubraum und PS ausgestattet war. Aber es war ja nur für eine Nacht, dachten wir zumindest. Früh um sechs machte Paul sich am nächsten Morgen auf den Weg zum Flughafen und stand pünktlich in der Ankunftshalle. Wer nicht da war, waren die beiden. Nach einer Stunde mit warten und suchen erreichten wir sie endlich auf ihrem Handy. Sie gingen gerade schön in Madrid spazieren. Ihr Nachtflug in Verbindung mit der Zeitverschiebung sorgten dafür, dass wir uns um einen Tag vertan haben. 

Lima, Stadtverkehr
Lima, Stadtverkehr

Als sie dann am nächsten Morgen beim zweiten Versuch wirklich wohlbehalten da waren, waren auch sie nicht schwer davon zu überzeugen, Lima so schnell wie möglich zu verlassen. Wir nutzten den Rest des Tages für einen Ausflug an den städtischen Strand und eine Einkaufstour, um uns mit einem zweiten Zelt und allem zu versorgen, was wir brauchten, um für vier Wochen zu viert in einem Jeep zu leben und verließen Lima am nächsten Morgen.

Die Nazca-Linien, Mumien und das Andenhochland

 Nach drei Tagen, lustigen Abenden am Lagerfeuer und einem Kurs im „Peruanische Verkehrskontrollen gelassen und kostengünstig überstehen“ erreichten wir das Städtchen Nazca mitten in der Wüste. Sie ist der Namensgeber für eines der rätselhaftesten archäologischen Phänomene auf unserem Planeten: Den Nazca-Linien. Einzig aus der Luft erkennt man in den Wüstenboden gescharrte hunderte Meter große Tierfiguren und kilometerlange schnurgerade Linien, Pisten, Trapeze und Dreiecke. 

Was aussieht wie ein Flughafen ist mindestens 2000 Jahre alt.
Was aussieht wie ein Flughafen ist mindestens 2000 Jahre alt.

Bis heute herrscht in der Wissenschaft keine Einigkeit darüber, wer die Erbauer sind, wie alt die Figuren sind und zu welchem Zweck sie einst geschaffen wurden. Klar ist nur, dass sie mehrere tausend Jahre und damit älter als die Kultur der Inkas sein müssen und dass sie in unterschiedlichen Zeiten entstanden.

Der Kolibri
Der Kolibri

Auf einem fünfundvierzig minütigen Rundflug hatten auch wir die Möglichkeit, bei perfekten Wind- und Sichtverhältnissen einen Blick auf viele dieser misteriösen Figuren und Linien zu werfen. Viel kannten wir schon von Bildern aber die Figuren dann dort im Sand auftauchen zu sehen, wo sich vom Boden aus gesehen nur unspektakulärer steiniger Wüstenboden erstreckt, hinterließ einen bleibenden Eindruck. CIMG2126

Der Flug ging früh morgens und den Rest des Tages nutzten wir für eine Sehenswürdigkeit, deren Existenz vielen Besuchern Perus nicht einmal bekannt ist. Ungefähr zwanzig Kilometer südlich von Nazca befindet sich mitten in der Wüste ein gigantisches Gräberfeld, in dem schätzungsweise zweitausend Mumien aus der Zeit vor den Inkas begraben liegen. Heute befindet sich auf diesem Gebiet ein Freiluftmuseum, in dem ungefähr dreißig Gräber offengelegt wurden. In zwei Meter tiefen Gruben sitzen die sterblichen Überreste von Schamanen und anderen wichtigen Persönlichkeiten ihrer Zeit, aber auch ein kleines Tuchbündel mit der Mumie eines kleinen Kindes ist zu sehen. Zwar sind die Schädel nur noch Knochen, Haare und Kleidung sehen jedoch aus, als wären sie eben erst in die Gruben gelegt worden und hätten nicht schon mehrere tausend Jahre im Wüstensand begraben gelegen.

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Vor der Zeit des Museums war das Gräberfeld ein beliebtes Ziel von Grabräubern, die mit langen Stangen den Boden durchbohrten und bei Widerstand nach den verborgenen Schätzen gruben. Menschliche Überreste wurden dabei gedankenlos an der Oberfläche zurückgelassen, so dass heute die gesamte Umgebung mit menschlichen Knochen, darunter auch klar erkennbare Schädel-, Schenkel- und Beckenknochen, übersät ist.CIMG1958-DC

Während wir andächtig und fasziniert die Gräber bestaunten, geschah es: Paul beugte sich über eine der Gruben und seine Sonnenbrille, die er nur locker auf dem Kopf hatte, fiel hinein. Der erste Gedanke: Oh Gott, ist das peinlich! Der zweite Gedanke: Man stelle sich vor, in zweitausend Jahren gräbt wieder ein Archäologe diese Mumien aus und findet Pauls Sonnenbrille als Grabbeigabe, was wäre die Konklusion? Hier unsere Lieblingstheorie: Die europäische Hochkultur des einundzwanzigsten Jahrhunderts besaß eine Technologie, die Zeitreisen möglich machte und während einer intertemporalen Expedition zu einer Bestattungszeremonie in die peruanischen Wüste verlor einer der Forscher seine Brille! Anstatt jedoch der Nachwelt ein weiteres unlösbares Rätsel in der peruanischen Wüste zu hinterlassen, erzählten wir einem der Museumsführer von unserem Missgeschick, der mit einem freundlichen Grinsen und einer langen Stange die Brille wieder in unsere Zeit zurückholte.

Nun war es an der Zeit, uns so langsam in Richtung Cuzco zu bewegen. Cuzco liegt auf einer Höhe von über dreitausend Metern in den Anden und war die Hauptstadt und ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt des Inkareiches. Heute ist es das Zentrum des Inkaturismus in Peru und der Ausgangspunkt von wahrscheinlich neunzig Prozent aller Macchu Picchu Besuche. Für die rund neunhundert Kilometer durch die Anden veranschlagten wir rund zwei Tage und da es schon Nachmittag war rechneten wir mit zwei Übernachtungen auf dem Weg. Nachdem wir uns drei Stunden lang über Serpentinen ins Gebirge geschraubt haben, sahen wir zur Begeisterung aller die ersten Lamas und Alpakas.

Alpakka Nummer 1, ein echtes Erlebnis
Alpakka Nummer 1, ein echtes Erlebnis

Noch war jedes der Tiere ein Grund zum Anhalten und Fotografieren, schließlich wussten wir noch nicht, dass wir später noch oft gezwungen sein würden, anzuhalten, da besagte Attraktionen es sich auf der Straße gemütlich machten und ein Auto nun wirklich kein Grund ist, seinen Mittagschlaf zu unterbrechen. 

Alpakka Nummer 2 - 80, nicht mehr so spannend...
Alpakka Nummer 2 – 80, nicht mehr so spannend…

Zu unserer Überraschung stießen wir dann noch auf Tiere, die wir gar nicht auf unserer Liste hatten. Vor einem Bus, der am Straßenrand parkte, standen gut dreißig Touristen bewaffnet mit Fernglas und Kameras und beobachteten einen kleinen See. Nach kurzem Überlegen kamen wir drauf: Flamingos! Die kannten wir bisher nur aus dem Zoo und hatten uns eigentlich noch nie so richtig Gedanken darüber gemacht, wo die eigentlich herkommen.

Flamingo!
Flamingo!

Nach einem langen Tag beschlossen wir bald, an einem kleinen See am Straßenrand unser Nachtlager aufzuschlagen. Wir mussten uns ohnehin einmal wieder waschen und eine kleine Steilwand gab uns und unseren Zelten Schutz vor dem kräftigen Wind. Die Sonne brannte vom Himmel und die Luft war angenehm warm, das Wasser jedoch war eisig. Im Nachhinein hätten wir daraus eigentlich Schlüsse auf die Nachttemperaturen ziehen können. Wir waren frisch gebadet, das Lager war aufgebaut und während wir mit Holzkohle und getrocknetem Lamadung (oder auch Alpakkakacke) ein Lagerfeuer entfachten, ging die Sonne unter und gleichzeitig fing die Temperatur an ins Bodenlose zu fallen.

Leider brennt Lamadung nicht so gut wie trockenes Holz
Leider brennt Lamadung nicht so gut wie trockenes Holz

Bereits beim Essen krochen wir dicht am Feuer zusammen und waren dankbar, dass Magnus noch eine Flasche Whiskey im Gepäck hatte. Im Zelt wurde es dann wirklich ungemütlich. Wir waren auf solche Temperaturen nicht vorbereiten und froren erbärmlich unter unseren dünnen Steppdecken. Als Paul nachts raus musste, stellte er dann fest, dass das Kondenswasser an der Zeltinnenwand gefroren war. 

Es war ein bisschen wie in der Gefriertruhe zu übernachten
Es war ein bisschen wie in der Gefriertruhe zu übernachten

An wirklichen Schlaf war dann nicht mehr zu denken. Die Füße wurden irgendwann taub und während wir ständig wach wurden, weil ein anderer Körperteilgerade nicht optimal zugedeckt war warteten wir darauf, dass es endlich hell werden würde. Als dann tatsächlich irgendwann die Sonne über den Horizont stieg, staunten wir nicht schlecht, als die Umgebung uns verriet, wie kalt es in der Nacht wirklich gewesen ist. Unsere selbstgebauten Bänke waren von Raureif überzogen, die Autoscheibe trug einen Eispanzer, dem mit dem Eiskratzer nicht einfach beizukommen war und sogar der See, in dem wir tags zuvor noch badeten, trug nun eine dünne Eisschicht.CIMG2185-PC Später sollten wir erfahren, dass wir in dieser nacht nicht auf den geschätzten zweitausend sondern auf über viertausend Metern Höhe kampiert hatten. Mit der Sonne stieg nun aber auch die Laune und mit einem heißen frisch gekochten Kaffee in der Hand sahen wir dabei zu, wie unser Lager langsam wieder auftaute. Dann hieß es: schnell packen und weiter. Mit der unverhofften Nacht in den Hochanden war unser nächstes Ziel plötzlich in greifbare Nähe gerückt: Cuzco und Machu Picchu, das Reich der Inka.P1060755

Equador

Die typische Landestracht: Faltenrock, Flechtzopf und Hut

Klee, Löwenzahn und schwarz-weiße Kühe sorgten nicht unbedingt dafür, dass wir uns wie in Südamerika fühlten und mit zwölf Grad Lufttemperatur hätten wir uns genauso gut zu Hause in Norwegen oder Deutschland befinden können. Die Menschen in ihren indianischen Trachten sowie Benzinpreise von um die sechzig Cent pro Liter gaben dem Land dann aber doch einen exotischen Anstrich.

Nachdem wir den Äquator ausgiebig besichtigt hatten, war unser Ziel zunächst die Hauptstadt Quito, ungefähr zwei Stunden entfernt. Hier wollten wir uns nach 14 Tagen im Zelt mal wieder ein wenig Zivilisation gönnen, nicht zuletzt auch weil Pauls Geburtstag vor der Tür stand. Wir mieteten uns für ein paar Tage in einem Hostel ein und genossen die große Küche, Internet sowie einen Begrüßungsdrink an der Bar. Mit gefülltem Hühnchenfilet, kaltem Bier und einigen Runden Pool am hauseigenen Billardtisch feierten wir Pauls Geburtstag nachdem er am Nachmittag mit unserem Jeep wieder aus der Werkstatt kam. Wir hatten schon einige tausend Kilometer zurückgelegt und bald würde es in die Wüste und weiter in die Anden gehen, da wurde es mal Zeit für neue Bremsbeläge und einen Blick unter die Motorhaube.

Einmal Fußpflege, dass hatte unser Jeep sich verdient!
Einmal Fußpflege, dass hatte unser Jeep sich verdient!

Außer den erwähnten Bequemlichkeiten und einigen hübschen Gebäuden in der Altstadt hatte Quito uns nicht viel zu bieten, so dass wir schon am ersten Tag nach unserer Ankunft zu einer Tour auf den empfohlenen Vulkan „Cayambe“ starteten.

Blick auf die Altstadt von Quito
Blick auf die Altstadt von Quito

Wie es der Zufall so will, teilten wir unser Zimmer mit zwei Studentinnen aus Norwegen und Dänemark, die sich sehr leicht zur Teilnahme überreden ließen. Nach einem kurzen Stopp am Äquator ging es dann los. Von hier aus waren es nicht mehr als dreißig Kilometer bis zum Parkplatz nahe des Gipfels auf fast 5.000 Metern Höhe. Diese Strecke verlangte unserem Jeep jedoch alles ab, was er an Geländetauglichkeit zu bieten hatte.

Fußballgroßes Geröll, Schlaglöcher, ausgewaschene Lehmwege und Steigungen weit jenseits der zehn Prozent sorgten dafür, dass so mancher einheimische Besucher seinen Pick Up am Wegrand stehen ließ und den Weg zu Fuß fortsetzte während wir uns jedoch nicht abschrecken ließen und unser erstes echtes Offroad-Abenteuer genossen. Oben angekommen gab es dann erst einmal einen kleinen Schock.

Der schneidende Wind bei vielleicht 3°C wirkte wie eine kalte Dusche und wir verkrochen uns schnell in die Bergstation für eine Schüssel Hühnersuppe und einen Becher Kaffee, bevor wir uns an den Aufstieg zum Gletscher machten. Wer wissen möchte, wie seine Kondition in dreißig Jahren und mit zwanzig Kilo mehr auf den Rippen aussieht, dem empfehlen wir ausdrücklich eine Klettertour auf über 4500 Metern. Zwischen uns und unserem Ziel, einem kleinen See nahe der Gletscherkante, lagen nur dreihundert Meter Höhenunterschied und etwas über einen Kilometer Luftlinie und dennoch war dies eine der anstrengendsten Wanderungen auf unserer Reise. Die Lunge schreit nach Sauerstoff, der Herzschlag ist beschleunigt, scheint sich aber irgendwo im Bauch zu befinden und etwa alle fünfzig bis hundert Meter ist jeder Stein für eine Pause willkommen.DSC00101Als Ausgleich für unsere Strapazen bot sich uns jedoch eine Atmosphäre wie auf einem anderen Planeten. Schroffe Felsen, kilometerweite Aussicht, kein Anzeichen von Leben, leichter Schwefelgeruch, das Knacken des Gletschers in der Luft und das Wetter schien sich alle zehn Minuten zu ändern.

Der Schneebedeckte Gipfel des Cayambe im Licht der Äquatorsonne
Der Schneebedeckte Gipfel des Cayambe im Licht der Äquatorsonne

Einen Weg, dem wir folgen konnten, gab es hier oben nicht, was unser Gefühl, uns auf einer Expedition zu befinden, noch verstärkte. Völlig außer Atem jedoch glücklich und beeindruckt erreichten wir den See nach ungefähr eineinhalb Stunden. Viel Zeit zum Erholen und Genießen dieses Anblicks blieb uns jedoch nicht. Es war bereits Nachmittag und wir mussten unbedingt bevor es dunkel wurde auch mit dem Auto wieder vom Berg herunter sein.

Zudem hörten wir Donnergrollen und das während wir uns mitten in den Wolken befanden. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend machten wir uns an den Abstieg, nicht jedoch ohne vorher noch einen Abstecher zum Gletscher zu machen. Während das ewige Eis knirschte und knackte, beeilte Paul sich mit der Machete einen Block aus der drei Meter hohen Wand zu schlagen. Somit konnten wir am Abend zurück im Hostel unseren Ausflug stilecht mit Gletschereis- gekühlten Getränken abschließen.

Mit echtem Gletschereis feierten wir die Rückkehr
Mit echtem Gletschereis feierten wir die Rückkehr

Aufgrund ausgebuchter Betten waren wir am Folgetag gezwungen, unser Hostel zu wechseln, was sich jedoch als Glücksfall erwies. Ein junges Paar aus Deutschland erzählte, sie hätten den Äquator noch nicht besichtigt, hätten aber auch eigentlich keine Zeit mehr. Als wir von unserem Ausflug erzählten, entschieden sie sich aber recht schnell dafür, dass sie vielleicht doch noch einen Tag übrig hätten. Auch zwei Jungs aus Kanada interessierten sich für eine kombinierte Äquator-, Jeep- und Klettertour, so dass Paul noch einmal in diesen Genuss kam, diesmal sogar als Tourguide. Als wir am Abend nach dem Ausflug an der Bar mit Whiskey und dem obligatorischen Gletschereis anstießen, meinte einer der Teilnehmer, dies sei das Größte gewesen, das er bis dahin erlebt hatte.

Mit diesem Lob frisch im Gedächtnis und einer dank zufriedener Teilnehmer frisch aufgefüllten Reisekasse verließen wir Quito mit dem Ziel peruanische Grenze.

Alles wird anders

Als wir von unserem Inlandsurlaub zum Boot zurückkehrten, wartete eine Überraschung auf uns, die wir so schnell wohl nicht vergessen werden. Der gesamte Innenraum war vom Schimmel grau-grün, kein schöner Anblick. Betroffen war das gesamte Holz, selbst in die verstecktesten Ecken war der Pelz gekrochen und hat auch vor unseren Klamotten, Kissen und allerhand Küchenutensilien nicht Halt gemacht. Uns blieb schließlich nichts anderes übrig, als drei Flaschen Essig zu kaufen und den Kampf mit den unerwünschten Pilzkolonien aufzunehmen. Nach vollen vier Tagen war das Kapitel Schimmelbekämpfung und der damit verbundene Gestank endlich abgeschlossen und «Amanda-Trabanthea» war wieder bewohnbar.

Jetzt konnten wir uns endlich um die eigentliche Aufgabenliste kümmern, die nach der letzten Etappe einmal wieder schön lang geworden ist. Die Reling musste geschweißt werden, das Selbe galt für den Rahmen der Solarpanelen und den Mast vom Windgenerator. Außerdem mussten der Großbaum und der Herd wieder an ihren Platz, um nicht den Boden der Nasszelle zu vergessen, der auf den vermuteten Osmoseschaden hin untersucht werden wollte. Gott sei Dank war es aber falscher Alarm, so dass wir dieses Mal um einen Werftaufenthalt herum kamen. Der letzte Törn und nicht zuletzt die zwei Tage Sturm am Ende haben uns genug Arbeit beschert und eine Menge kaputter Ausrüstung musste repariert werden. So hofften wir, das unser neuer Inverter noch zu retten war, nachdem er einen ordentlichen Schluck Salzwasser abbekommen hatte. Eine andere Herrausforderung war die Befestigung der neuen Positionslichter am Bug, da auch diese die Angewohnheit hatten, in der Gischt zu ertrinken. Wenn wir dann noch Lust und Zeit hätten, waren da noch Kissen zu nähen, der Motor zu pflegen, Dieselfilter zu wechseln, Gasflaschen auf das amerikanische Füllsystem umzurüsten und so weiter und so fort.

Ein neuer Plan

Zusätzlich zu all den zerlegten Dingen an Bord war nun auch unsere Motivation im wahrsten Sinne des Wortes wie weggeblasen. Nach all den Tagen, Wochen und Monaten, die wir in Ausrüstung und Reparationen gesteckt haben, glaubten wir, dass das Boot endlich in einem topp Zustand war. Die Geschehnisse brachten uns nun aber zu der Einsicht, dass «Amanda-Trabanthea» wohl nicht für den Pazifik geeignet war, wenn wir nicht nochmal einige zehntausende Euro in die Vorbereitungen stecken wollten, von dem nötigen längeren Werftaufenthalt ganz zu schweigen. Zudem war es unvorhersehbar, welche bösen Überraschungen sie für uns in Zukunft bereit hielt und der Pazifik hat einfach nicht ein so komfortables Netz von Werften und Marinas wie die Karibik, wo es möglich ist, innerhalb kurzer Zeit alles wieder in den Griff zu bekommen. Im Gegensatz dazu gab es aber Taifune, mit denen es «Amanda-Trabanthea» in ihrem jetzigen Zustand wohl kaum aufnehmen konnte.

Nun warfen wir alle Pläne über den Haufen und entschieden uns dafür, Mittel- und Südamerika mit unserem neuesten knallroten Schnäppchen zu erkunden: Einem 1992er Jeep Cherokee.

Der Startschuss für diesen Road Trip sollte in Guatemala fallen und der Plan ist Anschlag Argentinien und zurück. Das Boot wollen wir natürlich behalten und so gibt es auch irgendwann wieder Segel- und Salzwassergeschichten. Wie unsere Pläne dann genau aussehen, bleibt abzuwarten.

Startschuss

Das erste Ziel war El Salvador, wo wir das erste Mal die Chance bekamen, uns ein Camp einzurichten, in dem wir fortan kochen und schlafen würden. Wie diese sollten noch viele Nächte auf unserer Tour aussehen: Grillen über dem Lagerfeuer oder eine warme Mahlzeit auf dem Gaskocher, gegessen wird unter freiem Himmel bevor wir ins Zelt kriechen, das von dem heulenden Wind maltretiert wird.

Worauf wir uns in dem kleinen Land am meisten freuten, war die Pazifikküste. Leider wurde es eine Enttäuschung. Auf der Karte machte das Städtchen La Union den Eindruck einer verträumten kleinen Hafenstadt, aber in den heruntergekommenen leeren Straßen war es sogar so gut wie unmöglich, am frühen Sonntag Abend etwas zu essen zu finden. Zwischen den wenigen Menschen fanden wir unglaublicherweise noch ein anderes deutsch-norwegisches Paar und zusammen nahmen wir die Jagd nach etwas Essbarem auf. Nach einigen Fehlversuchen konnten wir uns dann aber endlich mit einem Hühnchenbaguette auf einer Parkbank niederlassen und es wurde doch noch ein lustiger Abend.

Weiter gings nach Nicaragua, eine schnelle Etappe, die lediglich von zwei Grenzübergängen unterbrochen wurde. Unser Ziel war die Stadt León, wo Gabriel, ein ehemaliger Studienkollege von Linn Charlotte, mit einem eigenen Zimmer für uns wartete. Da war das mindeste, was wir tun konnten, ein leckeres Abendessen zu kochen und ein kaltes Bier auszugeben, bevor wir müde ins Bett fielen.

Von Vulkanen und Monsterwellen

Nach dem wir bis hierhin nahezu nonstopp durchgefahren sind, war es in León Zeit für eine kleine Pause, zumal Linn Charlotte die Stadt schon von einem Studienaufenthalt im Jahre 2009 kannte. Obwohl sich seit dem einiges im Stadtbild verändert hatte, war es schön, wieder in den bekannten bunten Straßen zu wandeln und in Erinnerungen zu schwelgen.

Ein wenig außerhalb der Stadt liegt der Strand „Las Peñitas“, der neben den gigantischen Pazifikwellen vor allem durch seine Ruhe besticht. Zwar haben sich hier eine Spanisch- und eine Surfschule sowie ein Hotel nebst Restaurant niedergelassen, darüber hinaus gehören die Häuser hier jedoch nur der Lokalbevölkerung, wodurch sich angenehm wenig Touristen am Strand rumtreiben. Im Kampf mit den Wellen wurden wir kräftig umhergeworfen, befor wir mit kiloweise Sand in der Badehose wieder am Strand landeten. Wir verbrachten den ganzen Nachmittag in den Fluten und ein Volleyballmatch im Sonnenuntergang schloss einen echten Urlaubstag am Meer ab.

Eine besondere Atraktion bietet der Vulkan „Cerro Negro“ der trotz Temperaturen um die 30°C ein El Dorado für Snowboardfans ist. Im feinen Lavasand am Hang geht es beim Sandboarding genau so rasant abwärts, zumindest in der Theorie. In der Praxis zog Paul es vor, nach drei missglückten Versuchen gepflegt mit dem Hintern auf dem Brett Platz zu nehmen und gemütlich den Hang hinunter zu rodeln. Spektakulärer als die Abfahrt war der Krater, der auf einem schmalen Pfad durchwandert werden konnte. Die völlige Abwesenheit jeglicher Vegetation und stinkende und dampfende Schwefelwolken sorgten dafür, dass wir uns fühlten wie auf einem anderen Planeten.

Der Panamakanal

Nach einem Besuch in Masaya, der Hauptstadt der Hängematten, verließen wir Nicaragua in Richtung Costa Rica, ein Land, das zwar moderner, dafür aber auch wesentlich touristischer ist. Zum ersten Mal hatten wir hier die Möglichkeit, unser Camp im Regenwald aufzuschlagen, ein Aufenthalt, der weder ein Zusammentreffen mit wilden Tieren noch mit gefährlichen Banditen dafür aber mit der Polizei für uns bereit hielt. Als bereits alles für die Nacht fertig war, das Bett war im Auto gebaut und ein gemütliches Lagerfeuer brannte, tauchten sie auf und machten uns klar, dass wir hier nicht bleiben konnten. Im Nationalpark sollte es Panther geben und wir sollten uns doch sicherheitshalber lieber an einer Forschungsstation ein wenig weiter die Straße runter niederlassen. Ein wenig entnervt- es hatte gerade aufgehört zu gießen und wir freuten uns auf einen ruhigen Abend- kamen wir dem nach und verzogen uns in besiedeltes Gebiet.

Da die Länder in Mittelamerika nicht sonderlich groß sind, haben wir auch Costa Rica schnell hinter uns gelassen und waren nun endlich in Panama. Hier standen wir vor der großen Aufgabe, ein Fährticket zu buchen, das uns mit unserem Jeep nach Kolumbien bringen sollte, da es zwischen den beiden Ländern keine Straßen, dafür aber eine Menge Gebüsch, Mosquitos und Banditen gibt. Mittelpunkt unserer Anstrengungen war die Hafenstadt Colón, wo wir angenehm davon überrascht wurden das a: noch reichlich Platz auf der Fähre vorhanden war und b: die Bürokratie für die örtlichen Verhältnisse relativ zügig und verlässlich arbeitete, auch wenn wir dem kolumbianischen Konsulat einen kurzen Besuch abstatten mussten, bevor wir endlich unser Ticket in der Hand hielten. Bevor die Fähre ablegte, hatten wir sogar noch zwei Tage Zeit uns einen der berümtesten Kanäle der Welt anzusehen, ein faszinierender Anblick für zwei Segler, die trotz des Umstiegs auf vier Räder von Schiffen und Seefahrt besessen sind. Mit hochmodernen Schleppern und Lokomotiven wurden die riesigen Tanker und Containerschiffe in die verhältnismäßig engen Kammern gezogen, von denen sie in die Karibische See entlassen wurden, ein Anblick, der uns für einige Stunden fesselte. Gott sei Dank waren zu diesem Zeitpunkt keine Segelboote unterwegs, der Anblick hätte uns dann wohl doch melancholisch gestimmt. Aber wer weiß, vielleicht ergibt es sich eines Tages, dass wir den Panamakanal auf dem Wasserweg erkunden. Nun hieß es erstmal: Blick nach vorn. Am Montag ging unsere Fähre und die würde uns nach Kolumbien und damit auf einen neuen Kontinent bringen.

Auf zu einem neuen Kontinenten

Nachdem wir Stunde um Stunde auf dem panamerikanischen Highway zugebracht haben, war es unglaublich gut, sich auf der Fähre einmal wieder auf offener See zu befinden. Über uns spannte sich ein späktakulärer Sternenhimmel, der uns, ungestört vom Flutlicht der Stadt, Anlass zum Träumen gab. Unsere nächste Station war Cartagena, wo wir für kurze Zeit wieder in das Seglerleben eintauchen würden. Vor einiger Zeit haben wir von unserem deutschen Seglerfreund erzählt, den wir zuerst in Trinidad und dann weiter nördlich auf den karibischen Inseln getroffen haben. Jetzt waren wir an der Reihe, ihn in seiner Wahlheimat Kolumbien zu besuchen, wo er schon seit fünfzehn Jahren wohnte. Als wir bei ihm an Bord anmusterten, war uns noch nicht klar, dass wir so lange bleiben würden aber die Tage und sogar Wochen flogen nur so dahin, während wir ihm halfen, sein pflegebedürftiges Boot wieder auf Vordermann zu bringen. Schleifen, spachteln und lakieren hieß es und als wir zum Schluss wieder in unser Auto umzogen, waren ganze drei Wochen vergangen. Allerings war es in der Ankerbucht auch gut auszuhalten. Umringt von Segelbooten waren wir schon öfter, die Silouette von Wolkenkratzern drumherum war jedoch etwas Neues. Diese blideten zudem einen interessanten Kontrast zu Cartagenas Altstadt, die einem etwas von dem Flair aus der Zeit vermittelte, in der die Stadt noch das Handelszentrum der Südamerikanischen Goldfunde war. In den kleinen Straßen und Gassen hatten wir die Möglichkeit, uns abends bei lokalen Köstlichkeiten und Musik von einem anstrengenden Arbeitstag in der heißen karibischen Sonne zu erholen.

Wind im Haar

Während unseres Arbeitseinsatzes haben wir immer wieder von einem Testtörn mit Cassiopeia geträumt, bevor wir zwei Autofahrer wieder weiter müssten und nachdem die Arbeit an Bord langsam mehr und mehr sichtbare Erfolge lieferte, war es plötzlich gar nicht mehr so unwahrscheinlich, dass daraus wirklich etwas werden könnte. Wir bestimmten uns für ein Datum auf dem Kalender und plötzlich war der Tag da, an dem wir für eine ordentliche Jungferntour in See stachen. Der Törn ging zu einer nahegelegenen Insel, vor der wir in ziemlichem Seegang vor Anker gingen und kaum ein paar Sekunden zögerten, bevor wir uns in die Fluten stürzten. Es war herrlich, endlich wieder baden zu können, nachdem wir so lange im Hafen lagen, wo uns vom Baden wegen der Wasserverschmutzung abgeraten wurde.

Norweger in der Überzahl

Obwohl wir uns in Kolumbien schon beinahe zu Hause fühlten, hatten wir noch nicht einmal einen Bruchteil des Landes gesehen und nun war es an der Zeit für einen Abstecher in Richtung Norden zu einer abgelegenen Sadt im Regenwald. In Minka waren wir abgesehen von zwei Rucksacktouristen die einzigen Gäste im Hostel und so kamen wir mit den Norwegern Maren und Kjetil schnell ins Gespräch und es zeigte sich, dass sie fast die gleichen Pläne hatten wie wir. Als Ergebnis dieser Unterhaltung stopften wir alles was ging in den Kofferraum, packten den Rest unter eine Plane aufs Dach und hatten so plötzlich Platz für vier Leute in unserem Jeep.

Die nächste Etappe führte uns durch das kolumbianische Flachland nach San Gil, eine Stadt die noch für viele Wochen einen bleibenden Eindruck hinterlassen würde. Hier trafen wir unglaublich nette Menschen und wurden sogar für zwei Tage zu jemandem nach Hause eingeladen, wo wir unter Anderem mit kolumbianischer Hausmannskost bewirtet wurden. San Gil war nicht nur eine hübsche Kolonialstadt sondern hatte auch sonst eine Unmenge an Erlebnissen zu bieten. Ganz in der Nähe befand sich Südamerikas zweitgrößter Canyon und Linn Charlotte nutzte die Gelegentheit, um sich beim Paragliding vom Abhang zu stürzen. Paul blieb da lieber auf festem Boden und machte eine Flusswanderung in Pozo Azul, ein kleiner Fluss, in dem der Ströumung kleine natürliche Whirlpools in den Fels gewaschen hatte. Dieser einzigartige Badeplatz lag idealerweise direkt an unserem Stellplatz, an dem wir dann für ungefähr eine Woche blieben. Auf dem Parkplatz eines kleinen Restaurants, in dem wenig Betrieb herrschte, hatten wir unser Lager aufgeschlagen und schliefen ruhig und sicher in unserem selbstgebauten Bett hinten im Auto. Umso ärgerlicher war es, dass uns hier unser gesamtes Bargeld gestohlen wurde. Während Paul am Fluss baden war, schlich sich jemand ans Auto und leerte seine Brieftasche, die sich in der Hose im Kofferraum befand. Glücklicherweise ließ er die Kreditkarten und Papiere in Ruhe, so dass dieser Verlust auf eine Weise zu verschmerzen war. Trotzdem hat es den Ort für uns kaputtgemacht und am nächsten Morgen machten wir uns auf zur nächsten historischen Kleinstadt mit dem schönen Namen ”Charala“

Was für ein Wasserfall

Rein zufällig hörten wir von einem spektakulären Wasserfall, der auf dem Wegein Stück weit im Wald versteckt lag. Dieser erwies sich dann tatsächlich als ein Naturparadies, das wir auch noch komplett für uns allein hatten, ohne dass wir uns einen Weg durch Horden von Touristen bahnen mussten. Eine Art Treppe von mehreren Wasserfällen, einer schöner als der andere, mussten über Stock und Stein und einige alte Leitern überwunden werden, bevor wir endlich vor der Hauptattraktion standen. Wir haben schon vorher schöne Wasserfälle gesehen, aber dieser hier verschlug uns wirklich die Sprache. Aus bestimmt vierzig Metter Höhe rauschte das Wasser hinab und der mitgerissene Luftstrom sorgte dafür, das rund um das Becken, das das Wasser im Laufe der Jahrhunderte geschaffen hatte, starker Wind an Büschen, Bäumen und unseren Klamotten riss. Trotz der Kälte rissen wir uns die eh schon nassen Sachen vom Leib und stürzten uns in den Pool, vollkommen berauscht von der Gewalt dieses Naturwunders. Das Tüpfelchen auf dem „i“ in dieser Szene war ein großer Baumstamm, der vor Jahren quer über die Schlucht gefallen war, die der Fluss inzwischen ausgewaschen hatte. Der wollte einfach überquert werden und Linn Charlotte tat ihm dann den Gefallen. Die ersten Meter waren auch kein Problem aber nach und nach wurde der Stamm schmaler und glatter und dann, lediglich zwei Meter vor dem Ziel aber sechs Meter über dem Boden, kam plötzlich das Zittern und ihre Muskeln wollten nicht mehr so wie sie. Auf dem Bauch liegend robbte sie Zentimeter für Zentimeter vorwärts und als sie es endlich sicher auf die andere Seite geschafft hatte, konnte sie sich kaum noch auf den Beinen halten, für ein zufriedenes Grinsen reichte die Kraft aber noch.

Auf zum Äquator

Mit einem Haufen Erinnerungen und Eindrücken verließen wir nach fünf Wochen Kolumbien in Richtung Equador. Von all den Berichten über Drogenhandel, Kriminalität und die gefürchteten Geruillas bekamen wir persönlich nichts mit und abgesehen von unserem gestohlenen Bargeld hatten wir durchweg positive Erlebnisse im drittgrößten Land Südamerikas. Auch in Equador sollten wir uns bald zu Hause fühlen. In Kolumbien übernachteten wir ausschließlich auf privaten Grundstücken. Das ging von einem Bauernhof über einen LKW-Rastplatz bis hin zu einer Wiese, die anscheinend frisch mit Kuhmist gedüngt worden war. In Equador behielten wir diesen Trend bei und trafen auf diese Weise eine Menge interessanter und vor allem freundlicher und hilfsbereiter Menschen.

Als wir uns der Hauptstadt Quito näherten, passierten wir zwangsweise eine der größten Atraktionen der Erde: den Äquator. In Europa hört man landläufig, dass es, je näher man dem Äquator kommt, immer wärmer wird. Das stimmte nicht so ganz. Als wir am Sonnenobservatorium standen, das genau auf der Linie errichtet wurde, hatten wir zwölf Grad und grauen Himmel. Dies lag vor allem daran, dass wir uns auf gut dreitausend Metern Höhe befanden, zum anderen wurde uns im Observatorium jedoch auch erklärt, dass es hier durchaus auch Jahreszeiten gäbe und die Sonne momentan im Zenit über der Karibik steht, wodurch dort die Temperaturen momentan höher sind als auf dem nullten Breitengrad.

Am Horizont sah man einen Eisbedeckten Berg und von unserem Guide erfuhren wir, dass es sich um den Vulkan Cayambe handelte, der mit 5.700 Metern einer der höchsten in der Umgebung war. Bis 5.000 Meter könne man wandern, und das landete natürlich sofort auf der Liste, mit Dingen, die in Equador erlebt werden wollten.