Ersteinmal muss sich die Mannschaft natürlich entschuldigen, dass nun soooo lange nichts mehr von uns zu hören bzw. zu lesen war, aber der Aufenthalt in Trinidad wurde doch etwas länger und unsere Projekte etwas umfangreicher, als wir dachten.
Zusammen mit unserem schwedischen Freund Sven-Erik, der für ein paar Wochen auf Barbados an Bord kam, segelten wir nach Trinidad. Als es am zweiten Morgen am Horizont langsam hell wurde, glaubte Paul, am Horizont dunkle Wolken aufziehen zu sehen. Nach kurzer Zeit wurde jedoch klar, dass das die Küste von Trinidad sein musste, die schon aus dreißig Seemeilen Entfernung zu sehen war.
Als die Sonne sich dann langsam erhob, bekamen wir eine Idee davon, wie Columbus sich bei seiner Landung in der Karibik gefühlt haben muss: Berge, über und über von Regenwald bewachsen, fielen Steil in den Atlantik ab, die Wellen brachen sich an den Felsen und weit und breit war kein Zeichen von Zivilisation zu erkennen. Je näher wir der Küste kamen, um so exotischer wurde es. Kleine Inseln oder eher große Steine standen einige hudert Meter vom Ufer entfernt und Pelikane und Fregattvögel kreisten über unseren Köpfen.
Zwar wurde es dann, als wir unser endgültiges Ziel erreichten, doch wesentlich zivilisierter, dennoch fühlten wir uns auf Anhieb viel wohler als auf Barbados.
Chaguaramas, die Bucht in der wir lagen, ist das Zentrum in der Karibik, wenn es um Boote und deren Reparatur geht. Seite an Seite reihen sich sechs Marinas, jeweils mit zugehöriger Werft und auf dem Hof genug Platz für hunderte Yachten. Gefühlte hundert Betriebe, vom Segelmacher über Schweißer bis hin zu Spezialisten für Klimaanlagen oder Schlauchboote, verteilen sich auf dieses Gebiet und die verhältnismäßig günstigen Preise und Stundenlöhne machten diesen Ort für uns zur Rettung.
Bevor es jedoch an die Arbeit gehen sollte, verbrachten wir noch ein paar Tage Urlaub mit Sven-Erik, der ein Zimmer in der Hauptstadt Port of Spain gemietet hatte. Zusammen sahen wir uns die Stadt an und besuchten Savannah, einen großen Park, der nun kurz vor dem Karneval einem großen Probensaal für unzählige Steelbands glich. Außerdem stand ein Tagesausflug auf die kleine Insel Caspar Grande auf dem Programm, auf der es eine gigantische Höhlenanlage geben soll. Die war zwar leider geschlossen und nur für geführte Gruppen begehbar, dennoch wurde es eine spannende Tour, auf der wir mit unserem Schlauchboot und unserem fünf PS Yamaha zu dritt die Insel umrundeten.
Nach einem gemütlichen Essen an unserem letzten gemeinsame Abend hieß es dann aber für Sven Erik: „Auf in die Heimat!“ und für uns: „Ab an die Arbeit!“
Zwei größere Projekte hatten wir vor uns. Nachdem wir an Bord immer noch mit Strommangel zu kämpfen hatten, beschlossen wir, uns einen vernünftigen Geräteträger über dem Cockpit bauen zu lassen, auf den unsere inzwischen zwei Solarpanele befestigt werden sollten. Außerdem beschlossen wir, da wir nun insgesamt dreimal Ärger mit unserem Rigg hatten, alle übrigen Stagen und Wanten (also alles, was so an Drahtseil im Mast ist) neu machen zu lassen. Das Rigg war innerhalb rekordverdächtiger drei Tage fertig. Das mag daran liegen, dass der Rigger Schwede war. Betrachten wir die Skandinavier schon als entspannt, bekommt das Wort stressfrei (um nicht „langsam“ zu benutzen) hier in der Karibik eine neue Dimension.
Für den Geräteträger fanden wir eine kleine Werkstadt, in der Paul die Möglichkeit bekam, mitzuarbeiten. Das war zum einen ganz angenehm für unser Budget, zum anderen gab es uns seit langem einmal wieder einen geregelten Tagesablauf.
Um unsere Projekte am Boot in den Griff zu bekommen, mussten wir in die Marina. Dort kamen wir neben einem anderen Norwegischen Boot zu liegen und nach zwei Tagen stieß noch „One Direction“, noch eine norwegische Crew, die wir schon in Las Palmas getroffen haben, zu uns, so dass wir nun in einer Marina mit nur dreizehn Liegeplätzen Seite an Seite mit drei norwegischen Booten lagen. Paul stellte fest, dass, wenn es wirklich nur um die fünf Millionen Norweger gab, wenigstens die Hälfte von denen auf Langfahrt sein müsse.
Außerdem lernten wir hier Ragga kennen. Der Hafenmeister in unserer Marina stammte ursprünglich aus St. Vincent, verbrachte allerdings einen großen Teil seines Lebens in den Niederlanden. Geplant hatte er dort nur eine Woche Urlaub, doch daraus wurden dann fünfundzwanzig Jahre Ehe und eine Karriere als Reggae- Musiker. Nach seiner Scheidung zog es ihn dann aber zurück in die Karibik, wo er nun als Dockmaster arbeitet und neben bei an einem fünfundvierzig Fuß großen Zweimaster bastelt, der ihn in einigen Jahren um die Welt bringen soll.
Wie öffnet man Kokosnüsse? Wie ist man grüne Bananen, Mangos und Papayas? Wie trinkt man Rum auf lokale Art? Wo findet und wie fängt man Hummer? Auf welchem Kurs segelt man am besten zu welchen Inseln? Ragga wurde unser Lehrmeister für das Leben in der Karibik. Außerdem nahm er uns und unsere Nachbarn von der „One Direction“ mit auf eine unvergessliche Tagestour in den Dschungel von Trinidad. Morgens um neun wurden zwei Geländewagen mit allem beladen, was man im Dschungel so braucht: Einen großen Gaskocher, Hühnchen, Reis, allerlei Gemüse, Gitarren und eine große Kühlbox voll mit kaltem Bier und auf ging´s. Von einem Parkplatz aus ging es dann zu Fuß weiter einen Trampelpfad an einem kleinen Fluss entlang, den wir immer wieder über- bzw. durchqueren mussten. Wäre unser Gepäck ein wenig wissenschaftlicher gewesen, hätte es sich nach Expedition angefühlt. So wurde es zu einem äußerst exotischen Wandertag. Ziel dieser Wanderung war eine kleine Sandbank an einem Bassin in einer Biegung des Flusses. Um uns herum waren nur Vögel und das Glucksen des Baches zu hören, der an dieser Stelle etwas über zwei Meter tief war und zum Schwimmen nahezu zwang.
Der eigentliche Höhepunkt befand sich jedoch erst um die Ecke. Hatte man den Pool durchschwommen, kam man nach gut zweihundert Metern an einen Wasserfall, der rund zwanzig Meter in einen weiteren natürlichen Swimmingpool Tiefe Stürzte und das Bild des tropischen Dschungelparadieses komplett machte.
Auf unserer Sandbank schlugen wir unser Lager auf und Wabba, der beste Freund von Ragga, der uns hierher geführt hatte, machte sich sogleich daran, Hühnchen und Reis im Gusseisentopf in eine leckere Mahlzeit zu verwandeln, die dann in Ermangelung zivilisierten Geschirrs mit den Fingern von großen Blättern gegessen wurde. Das sparte praktischerweise gleich den Abwasch. Der Tag verging dann mit Gitarre und Gesang, kalten Getränken, Quatsch Erzählen und natürlich Baden. Besonders das hatten wir vermisst, da die Bucht in der wir lagen, ziemlich verschmutzt war. Plötzlich bemerkten wir, dass hektisch zusammengeräumt wurde. Grund dafür war, dass es wohl bald dunkel werden würde und zwischen den Bäumen wird es dann wohl so schwarz, dass es nicht einfach wird, den Weg zurück zu finden. Außerdem laufe man Gefahr, bei lebendigem Leibe von Mücken gefressen zu werden. Zwar gefiel es uns hier ausgezeichnet, das wollten wir dann aber doch nicht riskieren und so machten wir uns alle auf den Heimweg, auf dem wir diesmal hinten auf dem PickUp Platz nahmen und so eine fantastische Aussicht auf die Klippen hatten, als wir uns auf engen Küstenstraßen wieder zurück zur Marina schlängelten.
In der darauffolgenden Woche bastelten wir weiter am Boot und verbrachten gemütliche Abende zusammen mit Ragga oder einfach allein im Cockpit, bevor wir uns am darauffolgenden Wochenende in den totalen Wahnsinn stürzten.
„In Trinidad feiert man entweder Karneval oder man bereitet die nächste Karnevalssaison vor!“ Karneval in Trinidad ist in der Tat der absolute Ausnahmezustand, die nach eigenen Angaben „Greatest Party on Earth“, die größte Party der Welt. Die verrückteste Phase bekamen wir selbst hautnah mit. In der Nacht zum Rosenmontag beginnt gegen zwei Uhr morgens ein Zug durch die Straßen von Port of Spain. Die ganze Nacht über wird getanzt, gefeiert, getrunken und sich gegenseitig mit Matsch, Wasser und Farbe vollgeschmiert, bis man gegen zehn Uhr morgens wieder am Ausgangspunkt ankommt.
Hier stehen dann Tanklaster mit Wasserwerfern bereit, um die Massen mit einer Gratisdusche zu versorgen und an kleinen Ständen gibt es gratis(!) einen kleinen Imbiss um wieder zu Kräften zu kommen. Den Rest des Tages ist man dann vollkommen erledigt und die meisten Leute zieht es an den Strand. Wir fuhren zurück zur Marina und nach einer Ausgiebigen echten Dusche schmissen wir erst mal unsere Partyklamotten weg, da war schlicht nichts mehr zu machen. Anschließend genossen wir den Umstand, dass Raggas Boot über eine Klimaanlage verfügt und ließen den Tag bei Film und Kaffee einfach an uns vorüber ziehen. Am Karnevalsdienstag finden die Umzüge der Karnevalsvereine statt, bei denen prächtige Kostüme die Straßen und zahlreiche Bühnen zieren. Wir haben allerdings unsere Dosis Karneval gehabt und so genossen wir die Stille in der Marina und investierten die Zeit lieber in unsere Amanda. Schließlich waren wir in ein paar Wochen mit Linn Charlottes Eltern auf St. Lucia verabredet und wollten vorher noch etwas von den Inseln dazwischen sehen. Warum das dann doch nicht ganz so glatt ging, erfahrt ihr, wenn die…
…Fortsetzung folgt!