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Peru Teil 2

Südamerika, das Abenteuer geht weiter!

Cuzco liegt auf 3.500 Metern Höhe und daran mussten wir uns wirklich erst wieder gewöhnen. Nachdem wir für einige Monate zu Hause waren, um unsere Reisekasse aufzubessern, kamen uns die 200 Meter Höhenunterschied zwischen Innenstadt und Campingplatz, wo unser Jeep geparkt war, unbezwingbar vor und wir erinnerten uns lebhaft an die Vulkanbesteigung in Equador. Der Leser mag sich an dieser Stelle wundern, was mit Macchu Pichu passiert ist, wurde es doch im letzten Kapitel noch groß angekündigt. Nur so viel: lächerlich hohe Preise, hunderte Touristen und so viele Verbote in blankgeputzten Ruinen mit kurz geschnittenem Rasen haben diesen Tripp zu einer herben Enttäuschung werden lassen und unsere Erlebnisse im weiteren Verlauf der Reise ließen diese wohl bekannteste Sehenswürdigkeit Südamerikas einfach verblassen. Unser Auto hatte die «Überwinterung» gut überstanden und nach ein paar Tagen waschen und aufräumen waren wir klar zur Weiterfahrt. Vorher mussten wir „nur“ noch einige Dinge mit dem lokalen Zoll klären, der sich dazu bereit erklärt hatte, unser Auto länger als die in Peru üblichen 90 Tage im Land zu dulden. Es blieb bis zum Schluss spannend, ob wir fahren dürften oder doch noch irgend ein Formular fehlte, daran waren wir inzwischen schließlich gewöhnt. Überraschenderweise ging aber alles reibungslos und wir durften losfahren; blieb nur zu hoffen, dass es an der Grenze nach Bolivien genauso einfach werden würde.

Tief im Urwald

Ganz fertig waren wir mit Peru aber noch nicht, da wir noch einen Besuch im Dschungel auf dem Wunschzettel hatten. Aufgrund matschiger, unsichere Straßen, Hitze und Insekten entschieden wir uns jedoch diesmal dafür, die Strecke nach Puerto Maldonado zu fliegen und dem Jeep noch ein wenig Ruhe zu gönnen. Von dort aus ging es dann mit dem Boot flussaufwärts in die „Monte Amazonico Lodge“, wo wir vier Tage verbrachten. Mitten im tropischen Urwald, wo einem statt Autolärm Grillen und Frösche den Schlaf rauben, sollten wir eine Menge einzigartiger Kreaturen zu Gesicht bekommen, die man zu Hause allenfalls aus dem Fernsehen kennt. Der erste Höhepunkt war eine Nachtwanderung. Im Schutz der Dunkelheit hatten eine Menge Insekten und Reptilien den Schutz ihrer Behausungen verlassen und sonnten sich im Mondschein. Schnell wurde uns klar, dass alles, was hier kreucht und fleucht, mindestens eine Nummer größer ist, als was wir von zu Hause gewohnt sind: Riesige Schnecken, ein Tausendfüßler, der über die ganze Hand reichte und große haarige Vogelspinnen. Mit einem kleinen Stock konnten wir ein Exemplar aus seiner Höhle im Boden locken und etwas näher in Augenschein nehmen. Spannend!

Die Bezeichnung „Amazonas-Regenwald“ kommt nicht von ungefähr, wie wir auf einer Wanderung zu einem See am eigenen Leib erfahren durften. Binnen Minuten verwandelte sich der ohnehin schon schlammige Weg in einen Bach und unsere Gummistiefel liefen so langsam voll. Schließlich lichtete sich das Wetter ein wenig und mit einem großen Kanu paddelten wir auf den See hinaus auf der Jagd nach Piranhas, leider erfolglos. Das einzige, was für ein wenig Unterhaltung sorgte, waren ein paar Affen, aber auch denen hatte das Wetter die Laune verhagelt. Dicht zusammengedrängt saßen sie in den Baumkronen und zeigten uns ihren Hintern, während ihre Schwänze lustlos hinab hingen. Als wir mit unseren Kanu wieder an Land kamen, waren die Gruppenleiter in heller Aufregung. Als wir unsere Tour am morgen starteten, erklärte uns unsere Führerin noch, dass wir auf jeden Fall auf dem Weg bleiben sollten, nichts berühren, auf keinen Fall Pflanzen beschädigen und so weiter. Nun bekamen plötzlich alle Bescheid, sich ins Gebüsch zu stürzen; irgendetwas aufregendes war also eindeutig im Gang. Natürlich kamen wir der Aufforderung umgehend nach, nicht ahnend, was uns da im Unterholz erwartete. Ungefähr sechs Meter lang und gute dreißig Zentimeter im Durchmesser lag da eine Anakonda unter einem Baum und verdaute wahrscheinlich gerade ihre letzte Mahlzeit. Die Chance, eine solche Schlange zu Gesicht zu bekommen, sei extrem niedrig und selbst für unsere erfahrenen Naturführer war diese Begegnung nichts alltägliches. Vorsichtig näherten wir uns dem Reptil und trotz der Beteuerung, es sei ungefährlich, war uns ein wenig unbehaglich. Die Schlange lag vollkommen reglos. Einziges Lebenszeichen waren ihre sporadischen Atemzüge, bei denen sich ihr Körper dehnte und man bekam eine Idee von der Kraft, die in diesem Geschöpf stecken musste.

Unsere restliche Zeit im Dschungel vertrieben wir uns auf Hängebrücken in den Baumkronen in der Lodge, mit dem Kajak auf dem Fluss, in dem Kaymane und riesige Baumstämme um die Wette schwammen und schließlich war es an der Zeit, den Flug zurück nach Cuzco zu nehmen und uns endlich mit Allradantrieb auf den Weg nach Bolivien zu machen.

Peru, Teil eins

Die Farbe der Saison ist Grau

Inkapyramiden, Lamas, Macchu Picchu, Die Linien von Nazca, die Hauptstadt Lima…

Kurz vor der Grenze nach Peru, mal wieder ein Camp irgendwo im Nirgendwo

Wir waren voller Erwartungen, als wir zusammen mit José, einem Kolumbianer, den wir von Baños aus mit nach Lima nahmen, die Grenze überquerten. Bekanntermaßen bilden jedoch hohe Erwartungen einen idealen Nährboden für tiefe Enttäuschung und so wurde die erste Woche im Land der Inkas zu einer echten Gedulds- und Nervenprobe. Es begann bereits an der Grenze. Wir hatten uns inzwischen dazu entschlossen, noch einmal für ein halbes Jahr nach Europa zurück zu kehren, teils aus Sehnsucht nach Freunden und Familie, teils um anschließend für den Rest unserer Südamerika-Tour und den langen Segeltörn in die Heimat finanziell gerüstet zu sein. Dafür war es notwendig, unseren Jeep für die Zeit sicher unterzustellen und da es bis zu unserem Flug nur noch vier Wochen waren, sollte dies auf jeden Fall in Peru geschehen. „No es possible!“- „Das ist nicht möglich!“ war die Antwort des Zöllners, als wir ihn nach einer Erweiterung der obligatorischen neunzig Tage Aufenthalt für das Auto fragten. Glücklicherweise war an dem kleinen Grenzübergang jedoch wenig Verkehr und wir hatten genug Zeit, ihm unsere Pläne zu erklären. So nach und nach fiel ihm dann doch ein, wie wir das Problem lösen konnten und nach einer halben Stunde waren wir ausgerüstet mit den Namen diverser Zöllner in Lima und Cuzco, seiner der Privatnummer, falls es noch Probleme gibt sowie einer Anleitung, wie und unter welchen Vorausetzungen und Vorwänden wir das Auto für eine längere Zeit im Land lassen könnten. Geschafft! Der berüchtigte Peruanische Zoll war überwunden und wir waren auf dem Weg nach Lima, wo wir uns mit Christina und Magnus treffen würden, einem befreundeten Deutsch-norwegischen Paar, das für vier Wochen mit uns durch Peru reisen würde.

Meist ging es geradeaus
Meist ging es geradeaus

Der Weg nach Lima führte durch die Wüste, für uns beide eine völlig neue und aufregende Erfahrung. So weit das Auge reichte, Sand und Geröll. Abschnittweise auch mal kleine schroffe Berge aber meist zog sich die Straße bis zum Horizont schnurgrade durch eine weite Sandebene. Ein paar mal fuhren wir zum Spaß einfach von der Straße runter in die Wüste, jedoch immer darauf bedacht, die Straße nicht aus den Augen zu verlieren. Mit der Sonne im Zenit und ohne Wind als Richtungszeiger wird einem schnell bewusst, wie leicht es sein muss, sich hier zu verirren. 

Wenn es zu langweilig wurde, konnte man schön im Sand spielen
Wenn es zu langweilig wurde, konnte man schön im Sand spielen

Unsere Hochstimmung über diese völlig neue Erfahrung verebbte schlagartig in der ersten Polizeikontrolle. Schönes Auto, Papiere und Versicherung alles in Ordnung, aha, wir seien aus Deutschland und Norwegen… Wir wiegten uns schon in Sicherheit, als der Polizeibeamte beiläufig bemerkte, dass wir ja aber ohne Licht unterwegs seien. Dabei steckte er schon mal Pauls Führerschein ein. Das Bußgeld seien 500 Soles, umgerechnet um die 140 Euro, die wir in der nächsten Stadt bezahlen könnten, um dann mit der Quittung hier den Führerschein wieder auszulösen. Es folgte ein Dialog, der für den Rest der Reise durch den Norden Perus typisch werden sollte:

Paul: „Haben wir denn nicht die Möglichkeit, dass irgendwie einfacher zu lösen? Wir haben es wirklich eilig und müssen vor dem Dunkelwerden noch einen sicheren Schlafplatz finden!“

Polizist: „Mmh, wieviel habt ihr denn dabei?“

Paul (kramt suchend in der Tür): „Ich habe hier noch zwanzig Dollar und (sucht in den Hosentaschen) noch ein paar Soles in bar. Mehr haben wir nicht, bezahlen meist mit Karte!“

Polizist: „Mmh. Schönes Auto! Wo wollt ihr denn hin?“

Es folgt ein kurzes belangloses Gespräch über unsere nächsten Reiseziele. Dann nach einer Weile:

Polizist: „Und was machen wir nun?“

Paul: „Das ist alles, was wir mit haben.“

Polizist nickt, hält mir die Hand zum Abschied hin, Paul gibt ihm die Hand, darin die zwanzig Dollar. Polizist gibt ihm seinen Führerschein zurück und wünscht uns freundlich eine gute Weiterfahrt.

Dieses Gespräch führten wir so mit kleinen Abwandlungen ungefähr vier bis fünf Mal, was unserer Laune nicht guttat. Dazu kam, dass die zuerst aufregend neue Wüste nach zwei Tagen extrem langweilig wurde. Zu allem Überfluss hatte der Himmel sich mit einem grauen Dunst überzogen und immer wenn wir uns einer Stadt näherten, kündigte sich dies schon zwanzig bis dreißig Kilometer vorher dadurch an, dass der Wüstenboden mit Müll überzogen war. Die vorherrschende Farbe war grau. Himmel: grau, Wüste: grau, Städte: grau. Selbst der Pazifikstrand und das Meer waren grau.

Es war...grau!
Es war…grau!

Den Höhepunkt dieser deprimierenden Einöde bildete dann die Hauptstadt. Hätten wir nicht versprochen, unsere Freunde hier abzuholen, hätten wir Lima wahrscheinlich auf der Stelle wieder verlassen. Zu dem nun schon gewohnten Grau kamen hässliche Fassaden in der gleichen Farbe und ein so vollkommenes Verkehrschaos, dass wir froh waren, in einem zwei Tonnen schweren Stahlkoloss zu sitzen, der mit reichlich Hubraum und PS ausgestattet war. Aber es war ja nur für eine Nacht, dachten wir zumindest. Früh um sechs machte Paul sich am nächsten Morgen auf den Weg zum Flughafen und stand pünktlich in der Ankunftshalle. Wer nicht da war, waren die beiden. Nach einer Stunde mit warten und suchen erreichten wir sie endlich auf ihrem Handy. Sie gingen gerade schön in Madrid spazieren. Ihr Nachtflug in Verbindung mit der Zeitverschiebung sorgten dafür, dass wir uns um einen Tag vertan haben. 

Lima, Stadtverkehr
Lima, Stadtverkehr

Als sie dann am nächsten Morgen beim zweiten Versuch wirklich wohlbehalten da waren, waren auch sie nicht schwer davon zu überzeugen, Lima so schnell wie möglich zu verlassen. Wir nutzten den Rest des Tages für einen Ausflug an den städtischen Strand und eine Einkaufstour, um uns mit einem zweiten Zelt und allem zu versorgen, was wir brauchten, um für vier Wochen zu viert in einem Jeep zu leben und verließen Lima am nächsten Morgen.

Die Nazca-Linien, Mumien und das Andenhochland

 Nach drei Tagen, lustigen Abenden am Lagerfeuer und einem Kurs im „Peruanische Verkehrskontrollen gelassen und kostengünstig überstehen“ erreichten wir das Städtchen Nazca mitten in der Wüste. Sie ist der Namensgeber für eines der rätselhaftesten archäologischen Phänomene auf unserem Planeten: Den Nazca-Linien. Einzig aus der Luft erkennt man in den Wüstenboden gescharrte hunderte Meter große Tierfiguren und kilometerlange schnurgerade Linien, Pisten, Trapeze und Dreiecke. 

Was aussieht wie ein Flughafen ist mindestens 2000 Jahre alt.
Was aussieht wie ein Flughafen ist mindestens 2000 Jahre alt.

Bis heute herrscht in der Wissenschaft keine Einigkeit darüber, wer die Erbauer sind, wie alt die Figuren sind und zu welchem Zweck sie einst geschaffen wurden. Klar ist nur, dass sie mehrere tausend Jahre und damit älter als die Kultur der Inkas sein müssen und dass sie in unterschiedlichen Zeiten entstanden.

Der Kolibri
Der Kolibri

Auf einem fünfundvierzig minütigen Rundflug hatten auch wir die Möglichkeit, bei perfekten Wind- und Sichtverhältnissen einen Blick auf viele dieser misteriösen Figuren und Linien zu werfen. Viel kannten wir schon von Bildern aber die Figuren dann dort im Sand auftauchen zu sehen, wo sich vom Boden aus gesehen nur unspektakulärer steiniger Wüstenboden erstreckt, hinterließ einen bleibenden Eindruck. CIMG2126

Der Flug ging früh morgens und den Rest des Tages nutzten wir für eine Sehenswürdigkeit, deren Existenz vielen Besuchern Perus nicht einmal bekannt ist. Ungefähr zwanzig Kilometer südlich von Nazca befindet sich mitten in der Wüste ein gigantisches Gräberfeld, in dem schätzungsweise zweitausend Mumien aus der Zeit vor den Inkas begraben liegen. Heute befindet sich auf diesem Gebiet ein Freiluftmuseum, in dem ungefähr dreißig Gräber offengelegt wurden. In zwei Meter tiefen Gruben sitzen die sterblichen Überreste von Schamanen und anderen wichtigen Persönlichkeiten ihrer Zeit, aber auch ein kleines Tuchbündel mit der Mumie eines kleinen Kindes ist zu sehen. Zwar sind die Schädel nur noch Knochen, Haare und Kleidung sehen jedoch aus, als wären sie eben erst in die Gruben gelegt worden und hätten nicht schon mehrere tausend Jahre im Wüstensand begraben gelegen.

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Vor der Zeit des Museums war das Gräberfeld ein beliebtes Ziel von Grabräubern, die mit langen Stangen den Boden durchbohrten und bei Widerstand nach den verborgenen Schätzen gruben. Menschliche Überreste wurden dabei gedankenlos an der Oberfläche zurückgelassen, so dass heute die gesamte Umgebung mit menschlichen Knochen, darunter auch klar erkennbare Schädel-, Schenkel- und Beckenknochen, übersät ist.CIMG1958-DC

Während wir andächtig und fasziniert die Gräber bestaunten, geschah es: Paul beugte sich über eine der Gruben und seine Sonnenbrille, die er nur locker auf dem Kopf hatte, fiel hinein. Der erste Gedanke: Oh Gott, ist das peinlich! Der zweite Gedanke: Man stelle sich vor, in zweitausend Jahren gräbt wieder ein Archäologe diese Mumien aus und findet Pauls Sonnenbrille als Grabbeigabe, was wäre die Konklusion? Hier unsere Lieblingstheorie: Die europäische Hochkultur des einundzwanzigsten Jahrhunderts besaß eine Technologie, die Zeitreisen möglich machte und während einer intertemporalen Expedition zu einer Bestattungszeremonie in die peruanischen Wüste verlor einer der Forscher seine Brille! Anstatt jedoch der Nachwelt ein weiteres unlösbares Rätsel in der peruanischen Wüste zu hinterlassen, erzählten wir einem der Museumsführer von unserem Missgeschick, der mit einem freundlichen Grinsen und einer langen Stange die Brille wieder in unsere Zeit zurückholte.

Nun war es an der Zeit, uns so langsam in Richtung Cuzco zu bewegen. Cuzco liegt auf einer Höhe von über dreitausend Metern in den Anden und war die Hauptstadt und ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt des Inkareiches. Heute ist es das Zentrum des Inkaturismus in Peru und der Ausgangspunkt von wahrscheinlich neunzig Prozent aller Macchu Picchu Besuche. Für die rund neunhundert Kilometer durch die Anden veranschlagten wir rund zwei Tage und da es schon Nachmittag war rechneten wir mit zwei Übernachtungen auf dem Weg. Nachdem wir uns drei Stunden lang über Serpentinen ins Gebirge geschraubt haben, sahen wir zur Begeisterung aller die ersten Lamas und Alpakas.

Alpakka Nummer 1, ein echtes Erlebnis
Alpakka Nummer 1, ein echtes Erlebnis

Noch war jedes der Tiere ein Grund zum Anhalten und Fotografieren, schließlich wussten wir noch nicht, dass wir später noch oft gezwungen sein würden, anzuhalten, da besagte Attraktionen es sich auf der Straße gemütlich machten und ein Auto nun wirklich kein Grund ist, seinen Mittagschlaf zu unterbrechen. 

Alpakka Nummer 2 - 80, nicht mehr so spannend...
Alpakka Nummer 2 – 80, nicht mehr so spannend…

Zu unserer Überraschung stießen wir dann noch auf Tiere, die wir gar nicht auf unserer Liste hatten. Vor einem Bus, der am Straßenrand parkte, standen gut dreißig Touristen bewaffnet mit Fernglas und Kameras und beobachteten einen kleinen See. Nach kurzem Überlegen kamen wir drauf: Flamingos! Die kannten wir bisher nur aus dem Zoo und hatten uns eigentlich noch nie so richtig Gedanken darüber gemacht, wo die eigentlich herkommen.

Flamingo!
Flamingo!

Nach einem langen Tag beschlossen wir bald, an einem kleinen See am Straßenrand unser Nachtlager aufzuschlagen. Wir mussten uns ohnehin einmal wieder waschen und eine kleine Steilwand gab uns und unseren Zelten Schutz vor dem kräftigen Wind. Die Sonne brannte vom Himmel und die Luft war angenehm warm, das Wasser jedoch war eisig. Im Nachhinein hätten wir daraus eigentlich Schlüsse auf die Nachttemperaturen ziehen können. Wir waren frisch gebadet, das Lager war aufgebaut und während wir mit Holzkohle und getrocknetem Lamadung (oder auch Alpakkakacke) ein Lagerfeuer entfachten, ging die Sonne unter und gleichzeitig fing die Temperatur an ins Bodenlose zu fallen.

Leider brennt Lamadung nicht so gut wie trockenes Holz
Leider brennt Lamadung nicht so gut wie trockenes Holz

Bereits beim Essen krochen wir dicht am Feuer zusammen und waren dankbar, dass Magnus noch eine Flasche Whiskey im Gepäck hatte. Im Zelt wurde es dann wirklich ungemütlich. Wir waren auf solche Temperaturen nicht vorbereiten und froren erbärmlich unter unseren dünnen Steppdecken. Als Paul nachts raus musste, stellte er dann fest, dass das Kondenswasser an der Zeltinnenwand gefroren war. 

Es war ein bisschen wie in der Gefriertruhe zu übernachten
Es war ein bisschen wie in der Gefriertruhe zu übernachten

An wirklichen Schlaf war dann nicht mehr zu denken. Die Füße wurden irgendwann taub und während wir ständig wach wurden, weil ein anderer Körperteilgerade nicht optimal zugedeckt war warteten wir darauf, dass es endlich hell werden würde. Als dann tatsächlich irgendwann die Sonne über den Horizont stieg, staunten wir nicht schlecht, als die Umgebung uns verriet, wie kalt es in der Nacht wirklich gewesen ist. Unsere selbstgebauten Bänke waren von Raureif überzogen, die Autoscheibe trug einen Eispanzer, dem mit dem Eiskratzer nicht einfach beizukommen war und sogar der See, in dem wir tags zuvor noch badeten, trug nun eine dünne Eisschicht.CIMG2185-PC Später sollten wir erfahren, dass wir in dieser nacht nicht auf den geschätzten zweitausend sondern auf über viertausend Metern Höhe kampiert hatten. Mit der Sonne stieg nun aber auch die Laune und mit einem heißen frisch gekochten Kaffee in der Hand sahen wir dabei zu, wie unser Lager langsam wieder auftaute. Dann hieß es: schnell packen und weiter. Mit der unverhofften Nacht in den Hochanden war unser nächstes Ziel plötzlich in greifbare Nähe gerückt: Cuzco und Machu Picchu, das Reich der Inka.P1060755

Alles wird anders

Als wir von unserem Inlandsurlaub zum Boot zurückkehrten, wartete eine Überraschung auf uns, die wir so schnell wohl nicht vergessen werden. Der gesamte Innenraum war vom Schimmel grau-grün, kein schöner Anblick. Betroffen war das gesamte Holz, selbst in die verstecktesten Ecken war der Pelz gekrochen und hat auch vor unseren Klamotten, Kissen und allerhand Küchenutensilien nicht Halt gemacht. Uns blieb schließlich nichts anderes übrig, als drei Flaschen Essig zu kaufen und den Kampf mit den unerwünschten Pilzkolonien aufzunehmen. Nach vollen vier Tagen war das Kapitel Schimmelbekämpfung und der damit verbundene Gestank endlich abgeschlossen und «Amanda-Trabanthea» war wieder bewohnbar.

Jetzt konnten wir uns endlich um die eigentliche Aufgabenliste kümmern, die nach der letzten Etappe einmal wieder schön lang geworden ist. Die Reling musste geschweißt werden, das Selbe galt für den Rahmen der Solarpanelen und den Mast vom Windgenerator. Außerdem mussten der Großbaum und der Herd wieder an ihren Platz, um nicht den Boden der Nasszelle zu vergessen, der auf den vermuteten Osmoseschaden hin untersucht werden wollte. Gott sei Dank war es aber falscher Alarm, so dass wir dieses Mal um einen Werftaufenthalt herum kamen. Der letzte Törn und nicht zuletzt die zwei Tage Sturm am Ende haben uns genug Arbeit beschert und eine Menge kaputter Ausrüstung musste repariert werden. So hofften wir, das unser neuer Inverter noch zu retten war, nachdem er einen ordentlichen Schluck Salzwasser abbekommen hatte. Eine andere Herrausforderung war die Befestigung der neuen Positionslichter am Bug, da auch diese die Angewohnheit hatten, in der Gischt zu ertrinken. Wenn wir dann noch Lust und Zeit hätten, waren da noch Kissen zu nähen, der Motor zu pflegen, Dieselfilter zu wechseln, Gasflaschen auf das amerikanische Füllsystem umzurüsten und so weiter und so fort.

Ein neuer Plan

Zusätzlich zu all den zerlegten Dingen an Bord war nun auch unsere Motivation im wahrsten Sinne des Wortes wie weggeblasen. Nach all den Tagen, Wochen und Monaten, die wir in Ausrüstung und Reparationen gesteckt haben, glaubten wir, dass das Boot endlich in einem topp Zustand war. Die Geschehnisse brachten uns nun aber zu der Einsicht, dass «Amanda-Trabanthea» wohl nicht für den Pazifik geeignet war, wenn wir nicht nochmal einige zehntausende Euro in die Vorbereitungen stecken wollten, von dem nötigen längeren Werftaufenthalt ganz zu schweigen. Zudem war es unvorhersehbar, welche bösen Überraschungen sie für uns in Zukunft bereit hielt und der Pazifik hat einfach nicht ein so komfortables Netz von Werften und Marinas wie die Karibik, wo es möglich ist, innerhalb kurzer Zeit alles wieder in den Griff zu bekommen. Im Gegensatz dazu gab es aber Taifune, mit denen es «Amanda-Trabanthea» in ihrem jetzigen Zustand wohl kaum aufnehmen konnte.

Nun warfen wir alle Pläne über den Haufen und entschieden uns dafür, Mittel- und Südamerika mit unserem neuesten knallroten Schnäppchen zu erkunden: Einem 1992er Jeep Cherokee.

Der Startschuss für diesen Road Trip sollte in Guatemala fallen und der Plan ist Anschlag Argentinien und zurück. Das Boot wollen wir natürlich behalten und so gibt es auch irgendwann wieder Segel- und Salzwassergeschichten. Wie unsere Pläne dann genau aussehen, bleibt abzuwarten.

Startschuss

Das erste Ziel war El Salvador, wo wir das erste Mal die Chance bekamen, uns ein Camp einzurichten, in dem wir fortan kochen und schlafen würden. Wie diese sollten noch viele Nächte auf unserer Tour aussehen: Grillen über dem Lagerfeuer oder eine warme Mahlzeit auf dem Gaskocher, gegessen wird unter freiem Himmel bevor wir ins Zelt kriechen, das von dem heulenden Wind maltretiert wird.

Worauf wir uns in dem kleinen Land am meisten freuten, war die Pazifikküste. Leider wurde es eine Enttäuschung. Auf der Karte machte das Städtchen La Union den Eindruck einer verträumten kleinen Hafenstadt, aber in den heruntergekommenen leeren Straßen war es sogar so gut wie unmöglich, am frühen Sonntag Abend etwas zu essen zu finden. Zwischen den wenigen Menschen fanden wir unglaublicherweise noch ein anderes deutsch-norwegisches Paar und zusammen nahmen wir die Jagd nach etwas Essbarem auf. Nach einigen Fehlversuchen konnten wir uns dann aber endlich mit einem Hühnchenbaguette auf einer Parkbank niederlassen und es wurde doch noch ein lustiger Abend.

Weiter gings nach Nicaragua, eine schnelle Etappe, die lediglich von zwei Grenzübergängen unterbrochen wurde. Unser Ziel war die Stadt León, wo Gabriel, ein ehemaliger Studienkollege von Linn Charlotte, mit einem eigenen Zimmer für uns wartete. Da war das mindeste, was wir tun konnten, ein leckeres Abendessen zu kochen und ein kaltes Bier auszugeben, bevor wir müde ins Bett fielen.

Von Vulkanen und Monsterwellen

Nach dem wir bis hierhin nahezu nonstopp durchgefahren sind, war es in León Zeit für eine kleine Pause, zumal Linn Charlotte die Stadt schon von einem Studienaufenthalt im Jahre 2009 kannte. Obwohl sich seit dem einiges im Stadtbild verändert hatte, war es schön, wieder in den bekannten bunten Straßen zu wandeln und in Erinnerungen zu schwelgen.

Ein wenig außerhalb der Stadt liegt der Strand „Las Peñitas“, der neben den gigantischen Pazifikwellen vor allem durch seine Ruhe besticht. Zwar haben sich hier eine Spanisch- und eine Surfschule sowie ein Hotel nebst Restaurant niedergelassen, darüber hinaus gehören die Häuser hier jedoch nur der Lokalbevölkerung, wodurch sich angenehm wenig Touristen am Strand rumtreiben. Im Kampf mit den Wellen wurden wir kräftig umhergeworfen, befor wir mit kiloweise Sand in der Badehose wieder am Strand landeten. Wir verbrachten den ganzen Nachmittag in den Fluten und ein Volleyballmatch im Sonnenuntergang schloss einen echten Urlaubstag am Meer ab.

Eine besondere Atraktion bietet der Vulkan „Cerro Negro“ der trotz Temperaturen um die 30°C ein El Dorado für Snowboardfans ist. Im feinen Lavasand am Hang geht es beim Sandboarding genau so rasant abwärts, zumindest in der Theorie. In der Praxis zog Paul es vor, nach drei missglückten Versuchen gepflegt mit dem Hintern auf dem Brett Platz zu nehmen und gemütlich den Hang hinunter zu rodeln. Spektakulärer als die Abfahrt war der Krater, der auf einem schmalen Pfad durchwandert werden konnte. Die völlige Abwesenheit jeglicher Vegetation und stinkende und dampfende Schwefelwolken sorgten dafür, dass wir uns fühlten wie auf einem anderen Planeten.

Der Panamakanal

Nach einem Besuch in Masaya, der Hauptstadt der Hängematten, verließen wir Nicaragua in Richtung Costa Rica, ein Land, das zwar moderner, dafür aber auch wesentlich touristischer ist. Zum ersten Mal hatten wir hier die Möglichkeit, unser Camp im Regenwald aufzuschlagen, ein Aufenthalt, der weder ein Zusammentreffen mit wilden Tieren noch mit gefährlichen Banditen dafür aber mit der Polizei für uns bereit hielt. Als bereits alles für die Nacht fertig war, das Bett war im Auto gebaut und ein gemütliches Lagerfeuer brannte, tauchten sie auf und machten uns klar, dass wir hier nicht bleiben konnten. Im Nationalpark sollte es Panther geben und wir sollten uns doch sicherheitshalber lieber an einer Forschungsstation ein wenig weiter die Straße runter niederlassen. Ein wenig entnervt- es hatte gerade aufgehört zu gießen und wir freuten uns auf einen ruhigen Abend- kamen wir dem nach und verzogen uns in besiedeltes Gebiet.

Da die Länder in Mittelamerika nicht sonderlich groß sind, haben wir auch Costa Rica schnell hinter uns gelassen und waren nun endlich in Panama. Hier standen wir vor der großen Aufgabe, ein Fährticket zu buchen, das uns mit unserem Jeep nach Kolumbien bringen sollte, da es zwischen den beiden Ländern keine Straßen, dafür aber eine Menge Gebüsch, Mosquitos und Banditen gibt. Mittelpunkt unserer Anstrengungen war die Hafenstadt Colón, wo wir angenehm davon überrascht wurden das a: noch reichlich Platz auf der Fähre vorhanden war und b: die Bürokratie für die örtlichen Verhältnisse relativ zügig und verlässlich arbeitete, auch wenn wir dem kolumbianischen Konsulat einen kurzen Besuch abstatten mussten, bevor wir endlich unser Ticket in der Hand hielten. Bevor die Fähre ablegte, hatten wir sogar noch zwei Tage Zeit uns einen der berümtesten Kanäle der Welt anzusehen, ein faszinierender Anblick für zwei Segler, die trotz des Umstiegs auf vier Räder von Schiffen und Seefahrt besessen sind. Mit hochmodernen Schleppern und Lokomotiven wurden die riesigen Tanker und Containerschiffe in die verhältnismäßig engen Kammern gezogen, von denen sie in die Karibische See entlassen wurden, ein Anblick, der uns für einige Stunden fesselte. Gott sei Dank waren zu diesem Zeitpunkt keine Segelboote unterwegs, der Anblick hätte uns dann wohl doch melancholisch gestimmt. Aber wer weiß, vielleicht ergibt es sich eines Tages, dass wir den Panamakanal auf dem Wasserweg erkunden. Nun hieß es erstmal: Blick nach vorn. Am Montag ging unsere Fähre und die würde uns nach Kolumbien und damit auf einen neuen Kontinent bringen.

Auf zu einem neuen Kontinenten

Nachdem wir Stunde um Stunde auf dem panamerikanischen Highway zugebracht haben, war es unglaublich gut, sich auf der Fähre einmal wieder auf offener See zu befinden. Über uns spannte sich ein späktakulärer Sternenhimmel, der uns, ungestört vom Flutlicht der Stadt, Anlass zum Träumen gab. Unsere nächste Station war Cartagena, wo wir für kurze Zeit wieder in das Seglerleben eintauchen würden. Vor einiger Zeit haben wir von unserem deutschen Seglerfreund erzählt, den wir zuerst in Trinidad und dann weiter nördlich auf den karibischen Inseln getroffen haben. Jetzt waren wir an der Reihe, ihn in seiner Wahlheimat Kolumbien zu besuchen, wo er schon seit fünfzehn Jahren wohnte. Als wir bei ihm an Bord anmusterten, war uns noch nicht klar, dass wir so lange bleiben würden aber die Tage und sogar Wochen flogen nur so dahin, während wir ihm halfen, sein pflegebedürftiges Boot wieder auf Vordermann zu bringen. Schleifen, spachteln und lakieren hieß es und als wir zum Schluss wieder in unser Auto umzogen, waren ganze drei Wochen vergangen. Allerings war es in der Ankerbucht auch gut auszuhalten. Umringt von Segelbooten waren wir schon öfter, die Silouette von Wolkenkratzern drumherum war jedoch etwas Neues. Diese blideten zudem einen interessanten Kontrast zu Cartagenas Altstadt, die einem etwas von dem Flair aus der Zeit vermittelte, in der die Stadt noch das Handelszentrum der Südamerikanischen Goldfunde war. In den kleinen Straßen und Gassen hatten wir die Möglichkeit, uns abends bei lokalen Köstlichkeiten und Musik von einem anstrengenden Arbeitstag in der heißen karibischen Sonne zu erholen.

Wind im Haar

Während unseres Arbeitseinsatzes haben wir immer wieder von einem Testtörn mit Cassiopeia geträumt, bevor wir zwei Autofahrer wieder weiter müssten und nachdem die Arbeit an Bord langsam mehr und mehr sichtbare Erfolge lieferte, war es plötzlich gar nicht mehr so unwahrscheinlich, dass daraus wirklich etwas werden könnte. Wir bestimmten uns für ein Datum auf dem Kalender und plötzlich war der Tag da, an dem wir für eine ordentliche Jungferntour in See stachen. Der Törn ging zu einer nahegelegenen Insel, vor der wir in ziemlichem Seegang vor Anker gingen und kaum ein paar Sekunden zögerten, bevor wir uns in die Fluten stürzten. Es war herrlich, endlich wieder baden zu können, nachdem wir so lange im Hafen lagen, wo uns vom Baden wegen der Wasserverschmutzung abgeraten wurde.

Norweger in der Überzahl

Obwohl wir uns in Kolumbien schon beinahe zu Hause fühlten, hatten wir noch nicht einmal einen Bruchteil des Landes gesehen und nun war es an der Zeit für einen Abstecher in Richtung Norden zu einer abgelegenen Sadt im Regenwald. In Minka waren wir abgesehen von zwei Rucksacktouristen die einzigen Gäste im Hostel und so kamen wir mit den Norwegern Maren und Kjetil schnell ins Gespräch und es zeigte sich, dass sie fast die gleichen Pläne hatten wie wir. Als Ergebnis dieser Unterhaltung stopften wir alles was ging in den Kofferraum, packten den Rest unter eine Plane aufs Dach und hatten so plötzlich Platz für vier Leute in unserem Jeep.

Die nächste Etappe führte uns durch das kolumbianische Flachland nach San Gil, eine Stadt die noch für viele Wochen einen bleibenden Eindruck hinterlassen würde. Hier trafen wir unglaublich nette Menschen und wurden sogar für zwei Tage zu jemandem nach Hause eingeladen, wo wir unter Anderem mit kolumbianischer Hausmannskost bewirtet wurden. San Gil war nicht nur eine hübsche Kolonialstadt sondern hatte auch sonst eine Unmenge an Erlebnissen zu bieten. Ganz in der Nähe befand sich Südamerikas zweitgrößter Canyon und Linn Charlotte nutzte die Gelegentheit, um sich beim Paragliding vom Abhang zu stürzen. Paul blieb da lieber auf festem Boden und machte eine Flusswanderung in Pozo Azul, ein kleiner Fluss, in dem der Ströumung kleine natürliche Whirlpools in den Fels gewaschen hatte. Dieser einzigartige Badeplatz lag idealerweise direkt an unserem Stellplatz, an dem wir dann für ungefähr eine Woche blieben. Auf dem Parkplatz eines kleinen Restaurants, in dem wenig Betrieb herrschte, hatten wir unser Lager aufgeschlagen und schliefen ruhig und sicher in unserem selbstgebauten Bett hinten im Auto. Umso ärgerlicher war es, dass uns hier unser gesamtes Bargeld gestohlen wurde. Während Paul am Fluss baden war, schlich sich jemand ans Auto und leerte seine Brieftasche, die sich in der Hose im Kofferraum befand. Glücklicherweise ließ er die Kreditkarten und Papiere in Ruhe, so dass dieser Verlust auf eine Weise zu verschmerzen war. Trotzdem hat es den Ort für uns kaputtgemacht und am nächsten Morgen machten wir uns auf zur nächsten historischen Kleinstadt mit dem schönen Namen ”Charala“

Was für ein Wasserfall

Rein zufällig hörten wir von einem spektakulären Wasserfall, der auf dem Wegein Stück weit im Wald versteckt lag. Dieser erwies sich dann tatsächlich als ein Naturparadies, das wir auch noch komplett für uns allein hatten, ohne dass wir uns einen Weg durch Horden von Touristen bahnen mussten. Eine Art Treppe von mehreren Wasserfällen, einer schöner als der andere, mussten über Stock und Stein und einige alte Leitern überwunden werden, bevor wir endlich vor der Hauptattraktion standen. Wir haben schon vorher schöne Wasserfälle gesehen, aber dieser hier verschlug uns wirklich die Sprache. Aus bestimmt vierzig Metter Höhe rauschte das Wasser hinab und der mitgerissene Luftstrom sorgte dafür, das rund um das Becken, das das Wasser im Laufe der Jahrhunderte geschaffen hatte, starker Wind an Büschen, Bäumen und unseren Klamotten riss. Trotz der Kälte rissen wir uns die eh schon nassen Sachen vom Leib und stürzten uns in den Pool, vollkommen berauscht von der Gewalt dieses Naturwunders. Das Tüpfelchen auf dem „i“ in dieser Szene war ein großer Baumstamm, der vor Jahren quer über die Schlucht gefallen war, die der Fluss inzwischen ausgewaschen hatte. Der wollte einfach überquert werden und Linn Charlotte tat ihm dann den Gefallen. Die ersten Meter waren auch kein Problem aber nach und nach wurde der Stamm schmaler und glatter und dann, lediglich zwei Meter vor dem Ziel aber sechs Meter über dem Boden, kam plötzlich das Zittern und ihre Muskeln wollten nicht mehr so wie sie. Auf dem Bauch liegend robbte sie Zentimeter für Zentimeter vorwärts und als sie es endlich sicher auf die andere Seite geschafft hatte, konnte sie sich kaum noch auf den Beinen halten, für ein zufriedenes Grinsen reichte die Kraft aber noch.

Auf zum Äquator

Mit einem Haufen Erinnerungen und Eindrücken verließen wir nach fünf Wochen Kolumbien in Richtung Equador. Von all den Berichten über Drogenhandel, Kriminalität und die gefürchteten Geruillas bekamen wir persönlich nichts mit und abgesehen von unserem gestohlenen Bargeld hatten wir durchweg positive Erlebnisse im drittgrößten Land Südamerikas. Auch in Equador sollten wir uns bald zu Hause fühlen. In Kolumbien übernachteten wir ausschließlich auf privaten Grundstücken. Das ging von einem Bauernhof über einen LKW-Rastplatz bis hin zu einer Wiese, die anscheinend frisch mit Kuhmist gedüngt worden war. In Equador behielten wir diesen Trend bei und trafen auf diese Weise eine Menge interessanter und vor allem freundlicher und hilfsbereiter Menschen.

Als wir uns der Hauptstadt Quito näherten, passierten wir zwangsweise eine der größten Atraktionen der Erde: den Äquator. In Europa hört man landläufig, dass es, je näher man dem Äquator kommt, immer wärmer wird. Das stimmte nicht so ganz. Als wir am Sonnenobservatorium standen, das genau auf der Linie errichtet wurde, hatten wir zwölf Grad und grauen Himmel. Dies lag vor allem daran, dass wir uns auf gut dreitausend Metern Höhe befanden, zum anderen wurde uns im Observatorium jedoch auch erklärt, dass es hier durchaus auch Jahreszeiten gäbe und die Sonne momentan im Zenit über der Karibik steht, wodurch dort die Temperaturen momentan höher sind als auf dem nullten Breitengrad.

Am Horizont sah man einen Eisbedeckten Berg und von unserem Guide erfuhren wir, dass es sich um den Vulkan Cayambe handelte, der mit 5.700 Metern einer der höchsten in der Umgebung war. Bis 5.000 Meter könne man wandern, und das landete natürlich sofort auf der Liste, mit Dingen, die in Equador erlebt werden wollten.

Endlich unterwegs in der Karibik

Von Trinidad nach St. Lucia

Sieben Knoten Fahrt, Sonne, kaum Wellen und ein spannendes Buch im Cockpit, so hatten wir uns die Segelei eigentlich vorgestellt und genauso wurde die Überfahrt von Trinidad nach Grenada, eine der Inseln, die wir auf dem Weg nach St. Lucia passierten. Leider sollte uns dieses Vergnügen, mit dem Strom und mit halbem Wind dahinzugleiten, nur für vierundzwanzig Stunden vergönnt sein. Am Morgen nach der ersten Nacht hatte der Wind deutlich aufgefrischt und da wir nun einen mehr nordöstlichen Kurs hatten, sich der Wind aber auch auf eine nordöstliche Richtung eingepegelt hatte, ging es recht rau zu. Mit Hellwerden stellte Paul dann fest, dass unser Schlauchboot sich auf dem Vordeck mit Wasser gefüllt hatte und dabei war, vom Boot zu rutschen. Da half nur: Messer raus, Boot los schneiden, den Holzboden raus und die Gummihülle zusammenrollen und neu fest laschen. Klitschnass und mit aufgeschürften Knien beschlossen wir nun, nicht mehr ganz so hart am Wind zu segeln und dafür lieber im Windschatten der Inseln die Abweichung vom Kurs mit dem Motor wieder einzuholen. Leider war da der Motor anderer Meinung. In der zweiten Nacht, als wir uns unter Maschine gerade St. Vincent, der letzten Insel vor St. Lucia, näherten, bemerkten wir das unser Diesel heiß gelaufen war. Da wir dieses Problem schon öfter hatten, es aber bisher jedes Mal zumindest provisorisch selbst in den Griff bekamen, machten wir uns zunächst keine Sorgen. Entweder mussten wir Kühlwasser nachfüllen oder das Thermostat rausschmeißen. Es stellte sich jedoch heraus, dass genug Kühlwasser vorhanden war, dieses jedoch trotz entferntem Thermostat nicht im Motor zirkulierte. Das Problem musste also bei der Wasserpumpe liegen, eine Theorie die durch ihren verschmorten Geruch untermauert wurde. Leider war da auf See gar nichts zu machen außer: Maschine aus und Segel hoch. Die Etappe von St. Vincent nach St. Lucia wurde daraufhin ziemlich nervenaufreibend, da wir es uns ohne Maschine nicht leisten konnten, so weit wie bisher vom Kurs abzufallen. Also: wieder dicht an den Wind und eine Menge Salzwasser an Deck. Glücklicherweise war hinter St. Lucia ein wenig mehr Wind als hinter den anderen Inseln, was unsdie Cahnce gab, unter Segeln an unser Ziel, Marigot Bay, heran zu kreuzen, um uns dann von einem Hilfsbereiten Fischer in die zum Kreuzen zu enge Bucht schleppen zu lassen. Einen halben Tag später als gedacht lagen wir dann nachmittags endlich vollkommen geschafft aber sicher in der Marina und konnten uns ein kaltes Bier nach einem unserer bislang härtesten Törns gönnen.

Eine schöne Aussicht nach den Strapazen
Eine schöne Aussicht nach den Strapazen

Bereits eine Stunde später hatten wir einen Mechaniker an Bord, der unsere verbrannte Wasserpumpe mit ungläubigem Blick in Augenschein nahm. Diese Pumpen seien für die Ewigkeit gebaut und so etwas habe er noch nie gesehen, meinte er und bestellte sogleich die seinen Worten nach einzige Pumpe auf der ganzen Insel, so dass wir bereits am nächsten Morgen wieder klar zum Auslaufen waren.

Island Cruise

Endlich einmal eine Pause für den Autopiloten
Endlich einmal eine Pause für den Autopiloten

Ein paar Stunden nach unserer Ankunft hatten wir auch Linn Charlottes Eltern ausfindig gemacht, die die unerwartet lange Wartezeit mit einer Bustour über die Insel verkürzten. Bei einem leckeren gemeinsamen Abendessen feierten wir unser Wiedersehen und planten die nächsten Tage, in denen sie Teil von Amanda-Trabantheas Mannschaft sein würden. Sie hatten noch zehn Tage, um ihren Heimflug von Antigua zu erreichen, genug Zeit um jeder Insel dazwischen zumindest einen kurzen Besuch abzustatten. Den kürzesten aller Besuche erhielt Martinique, wo wir nicht einmal einen Fuß an Land setzten. Um auf den anderen Inseln ein wenig mehr Zeit zu haben, beschlossen wir, lediglich vor Anker zu übernachten und dann mit Sonnenaufgang in Richtung Dominica weiter zu segeln.Man sagt, würde Kolumbus heute noch einmal in die Karibik kommen, so wäre Dominica die einzige Insel, die er wiedererkennen würde. Mit vergleichsweise wenig Tourismus und nahezu unberührter Natur lud sie uns dazu ein, einen ganzen Tag am Strand zu lümmeln, Kokosnüsse zu essen und auszutrinken und den Höhepunkt bildete das Abendessen, das wir am Strand über dem Lagerfeuer kochten. Den nächsten Tag nutzten wir dazu, uns ein wenig in der Stadt umzusehen, bevor wir uns am späten Nachmittag auf eine Nachtsegeletappe nach Guadeloupe aufmachten.

Nur keinen Sand in die Pfanne bekommen!
Nur keinen Sand in die Pfanne bekommen!

Unseren Ankerplatz hier erreichten wir eine gute Stunde nach Sonnenaufgang. Während Linn Charlotte und Papa Per nach ihrer Nachtwache noch tief und fest schliefen, genossen Evy und Paul bei einer Tasse Kaffee die morgendliche Stimmung über dem kleinen Städtchen, an das die Bucht, in der wir lagen, grenzte. Zu hören waren lediglich die Kirchenglocken und Hahnenschreie und das tiefblaue Wasser ringsum lud dazu ein, nach dem Kaffee für ein kurzes Bad vom Deck zu springen.

Da muss man erst nach Frankreich, um einen halben Liter Bier zu bekommen!
Da muss man erst nach Frankreich, um einen halben Liter Bier zu bekommen!

Nachdem auch der Rest der Mannschaft wach war, machten wir uns nach einem leckeren Frühstück auf an Land. Als Departement de France bietet Guadeloupe eine vollkommen andere Atmosphäre als die Inseln, die wir bisher besuchten und die alle zwar Teil des Commonwealth, sonst aber autonome Staaten waren. Mit Euro als amtlichem Zahlungsmittel und französischen EU- Nummernschildern bekommt man schnell das Gefühl, sich auf europäischem Boden zu befinden. Die Temperaturen, die Palmen und die bunten Häuser hingegen lassen keinen Zweifel an der geographischen Lage und so ergibt sich eine ganz eigene Atmosphäre, die wir bei einem Bummel durch die Stadt, französischem Essen und belgischem Bier auf uns wirken ließen.

Guadeloupe, ein karibisches Stück Europa

Am nächsten morgen starteten wir unsere letzte Etappe von Guadeloupe nach Antigua. Ziel war die Hauptstadt St. Johns in Norden der Insel und im Laufe des Tages sah es mehr und mehr danach aus, als würden wir eine Ankunft im Hellen nicht mehr schaffen. Jedoch erspähten wir nachmittags einen einsamen weißen Strand, das Wasser hatte mit sieben Metern genau die richtige Tiefe zum Ankern und war durch den weißen Korallensand darunter türkis-blau. Wir brauchten keine zwei Minuten um uns dafür zu entscheiden, dass es genug sei, am nächsten Tag in der Hauptstadt anzukommen. Mit einem kalten Bier und dem Sonnenuntergang im Rücken genossen wir die Aussicht auf unseren eigenen Traumstrand.

Auf den ersten Blick ein Traumstrand!
Auf den ersten Blick ein Traumstrand!

Als wir am nächsten Morgen mit dem Schlauchboot an den Strand fuhren, wurde schnell deutlich, warum wir die Einzigen hier waren. Kleine Korallenriffe mit hunderten von Seeigeln machten das Anlanden zu einer echten Herausforderung und das Grün hinter dem Sandstrand waren dichte Dornbüsche und die wenigen Palmen trugen untypischer Weise keine Kokosnüsse. Dennoch hatten wir so kurz vor Ende der Reise hier die Möglichkeit bekommen, uns ein Bisschen wie Robinson zu fühlen. St. Johns erwies sich für uns leider als Enttäuschung. In unserem Reiseführer wurde die Stadt als historisches Kleinod angewiesen, das es dem Segler ermöglicht, in den historischen Dockanlagen zu liegen und den Geist der Kolonial- und Piratenzeit zu schnuppern. Die Wirklichkeit sah dann so aus, dass wir nahe einer Kläranlage im Schlamm ankern mussten, um dann mit dem Schlauchboot zwischen zwei Kreuzfahrtschiffen festzumachen. Zwar gab es in der Tat einen kleinen historischen Stadtkern, der jedoch war voll mit teuren Restaurants und Souvenirläden und überschwemmt mit tausenden Kreuzfahrttouristen. Wir ließen uns davon jedoch nicht unseren letzten Tag vermiesen und nutzten den Abend für ein letztes gemeinsames Abendessen im Keller eines der historischen Gebäude, bevor Evy und Per dann am nächsten Vormittag in ihr Taxi zum Flughafen stiegen und uns ein wenig wehmütig hier zurück ließen.

English Harbour

Nelsons Dockyard
Nelsons Dockyard, historischer Marinestützpunkt

Nach der anstrengenden Zeit in Trinidad und nach zehn Tagen toller Erlebnisse aber auch etwas Zeitdruck und mit vier Personen etwas beengter Verhältnisse an Bord standen wir nun erstmals seit Beginn unserer Reise vor der Frage, was wir nun machen und wohin wir segeln sollten. Bis zum Einsetzen der Hurricansaison hatten wir noch zwei Monate Zeit und somit entschieden wir uns ersteinmal dafür, ein paar Tage auszuspannen. Nach einem kurzen Stopp in einer größeren Marina im Westen von Atigua ankerten wir dafür in English Harbour, einer historischen englischen Dockanlage aus dem 18. Jahrhundert. Die gesamte Anlage ist original erhalten und dient heute als Marina vor allem für große Luxusyachten. Im Gegensatz zu St. John fühlten wir uns hier wirklich in die Piratenzeit zurückversetzt und bedauerten, dass wir nicht mit Linn Charlottes Eltern hierher gekommen sind.

An zwanzig meter hohen Klippen brechen sich die Wellen des Atlantiks
An zwanzig meter hohen Klippen brechen sich die Wellen des Atlantiks

Neben den historischen Hafen- und Festungsanlagen war es auch die Natur, die diesen Teil der Insel für uns zu einem der Höhepunkte unserer Reise machte. Kommt man aus der geschützten Bucht, brechen sich die großen Atlantikwellen an den steilen Kliffs der Küste. Das Wasser ist Glasklar, so dass man von den schmalen Wanderpfaden aus tief unter die Oberfläche schauen kann und ein Riff am Eingang der Bucht bietet ein beeindruckendes Schnorchelerlebnis. In dieser Umgebung fiel es uns leicht, endlich in Urlaubsstimmung zu verfallen und so wurden aus den geplanten drei bis vier Tagen Aufenthalt letztendlich ganze zehn.

Montserrat

Bei Wanderungen entlang der Küste im Süden Antiguas ist am Horizont deutlich der noch immer rauchende Kegel von Soufrière Hills auf der Vulkaninsel Montserrat auszumachen.

Am Horizont sieht man Montserat und der Vulkan ist sehr aktiv.
Am Horizont sieht man Montserat und der Vulkan ist sehr aktiv.

Da die Insel genau in Windrichtung lag, war unser neues Reiseziel schnell bestimmt und wir hatten endlich die nötige Motivation, den Anker wieder an Bord zu hieven und unsere Reise fortzusetzen. Da der Wind sich jedoch ausgerechnet an diesem Tag eine Pause gönnte, erreichten wir unseren Ankerplatz erst einige Stunden nach Sonnenuntergang und weil zudem gerade Neumond war, mussten wir uns ohne Sicht beim Ankern auf Radar und Echolot verlassen. Am nächsten Morgen lagen wir jedoch noch immer an Ort und Stelle und somit trauten wir uns, unsere Amanda-Trabanthea zu verlassen und die Insel zu erkunden. Montserrat steht im starken Kontrast zu allen anderen Inseln der kleinen Antillen, die unser momentanes Segelrevier darstellten. Ein Vulkanausbruch, der sich von 1995 bis 1997 hinzog, begrub die Hauptstadt Plymouth im Süden unter sich und zwang den größten Teil der Einwohner zur Evakuierung der Insel.

Wo früher eine Hauptstadt war, schauen nun noch einige Dächer aus dem Boden.
Wo früher eine Hauptstadt war, schauen nun noch einige Dächer aus dem Boden.
Eine Großbaustelle und mittendrin ein Konzerthaus, in dem nebenbei auch das Parlament tagt.
Eine Großbaustelle und mittendrin ein Konzerthaus, in dem nebenbei auch das Parlament tagt.

Die Bevölkerung brach von über 11.000 ein auf unter 3.000 und erholt sich seitdem nur langsam wieder. Dem eisernen Willen und für die Region untypischem Arbeitseifer der auf der Insel gebliebenen Menschen ist es zu verdanken, dass inzwischen wieder über 5.000 Leute dort leben und im Norden eine Neue Hauptstadt und Infrastruktur aufbauen. Folglich gleicht die Umgebung einer Arten riesigen Autobahnbaustelle, in der sich immer wieder Oasen mit bereits fertiggestellten Restaurants, Straßenzügen und dem neuen Kulturhaus finden, in dem ein paar mal im Monat auch das Parlament tagt. Mit einem einheimischen Taxifahrer, der persönlich von der Katastrophe betroffen war, lernten wir auch den Süden der Insel kennen. Da dieser Teil immer noch Sperrgebiet ist, mussten wir uns zunächst bei der örtlichen Polizei anmelden, bevor wir durch ein eigens errichtetes Tor in das Ausbruchsareal fuhren. Zunächst führte uns Joe Philipe durch die ehemaligen Vororte der Hauptstadt, wo auch sein ehemaliges Haus steht. Zwar nicht direkt vom Ausbruch betroffen wurden diese Gebiete dennoch sicherheitshalber evakuiert. Nur für das Wochenende, so hieß es, und für unseren Chauffeur sollte dies, so meinte er, das längste Wochenende seines Lebens werden. Über die Jahre hat die Natur wieder die Herrschaft übernommen und so sieht man Straßenlampen und Strommasten, die Mitten im Dschungel zwischen den Bäumen herausschauen und neben der Straße sieht man immer wieder Häuserdächer, die vom dichten Gestrüpp überwuchert werden.

Wo früher einmal Vorstadt war, nimmt nun der Dschungel wieder die Zügel in die Hand
Wo früher einmal Vorstadt war, nimmt nun der Dschungel wieder die Zügel in die Hand

Jagte uns diese Szenerie bereits einen Schauer über den Rücken, so bekamen wir beim Besuch der Hauptstadt eine ausgewachsene Gänsehaut. Bis zu zehn Meter Asche und Schlamm bedecken Häuser und Straßen, die noch in den 1990er Jahren voller Menschen und Leben waren. Ein paar Dächer, ein Kirchturm und ein Basketballkorb ragen aus der Asche und machen so das Ausmaß der Katastrophe viel deutlicher, als wenn Schlamm und Asche jede Spur von Besiedelung unter sich begraben hätten. Die Stille, die über dem Areal lag, verstärkte die bedrückende Atmosphäre und der Besuch eines alten Hotels, in dem selbst die alten Rechnungen noch im Büro lagen, bildete den Abschluss einer Tour, die sich wohl noch lange Zeit in unserer Erinnerung lebendig halten wird.

Da ist ein wenig Papierarbeit liegen geblieben...
Da ist ein wenig Papierarbeit liegen geblieben…

Bequia

Auf eigene Faust gab es auf Montserrat nicht viel zu erleben. Wie bereits erwähnt, glich der größte Teil der sicheren Zone einer großen Baustelle und der Ankerplatz war ein improvisierter Fähr- und Frachthafen, um den sich über die Jahre die neue Hauptstadt entwickeln soll. Daher verließen wir die Insel nach bereits drei Tagen und nahmen Kurs auf Bequia im Inselstaat St.Vincent and the Grenadines. Bereits auf Barbados wurde uns von dieser Insel vorgeschwärmt und da sie auf dem Weg lag, sollte sie unsere vorerst letzte Station werden, bevor wir einen sicheren Platz für die Hurrikansaison finden mussten.

Einmal mehr ein idyllisches Plätzchen, um den Anker fallen zu lassen
Einmal mehr ein idyllisches Plätzchen, um den Anker fallen zu lassen

Auch Ragga hatte uns viel von Bequia erzählt und bei unserer Ankunft waren wir erst einmal skeptisch, ob nicht all die Leute in ihrer Erinnerung reichlich übertrieben haben. Doch sie sollten recht behalten. Bei Sonnenuntergang warfen wir unseren Anker auf ungefähr sechs Meter Tiefe in kristallklares Wasser auf sandigen Grund. Einen kleinen Dämpfer erhielt unsere Laune, als auf dem Weg zur nächstgelegenen Strandbar unser Außenbordmotor heiß lief und stehenblieb. Da jedoch Bequia trotz seiner geringen Größe eines der beliebtesten Segelziele der Karibik ist, war es kein Problem, einen Mechaniker zu finden. Ein einheimisches Boot schleppte uns am nächsten Morgen mit unserem Schlauchboot in den Hafen und uns blieb gerade genug Zeit, endlich einmal wieder ein paar frische Nahrungsmittel einzukaufen, bevor unser 5-PS´er wieder lief wie neu.

Auf der Jagd nach kostenlosem Luxusessen
Auf der Jagd nach kostenlosem Luxusessen

Die nächsten Tage über fühlten wir uns wie im Paradies. Wie von Ragga versprochen, wohnten massenweise Langusten unter den Steinen unter dem Boot und warteten im Grunde nur darauf, von Paul mit der Harpune erlegt zu werden. Drei Tage lang lebten wir von Gerichten wie Langustenschwänzen an Ayoli auf gebackener Brotfrucht, Langusten-Cremesuppe mit Knoblauch, Papaya und grünen Bananen oder Langustenschwänze in Kokosmilch mit Reis auf offenem Feuer gekocht. Da jedoch das Fischen mit der Harpune eigentlich verboten ist und die Jagdsaison seit einigen Tagen vorbei war, bekamen wir schließlich ein schlechtes Gewissen und ließen den Rest der Tiere in Ruhe ihre Schonzeit genießen.

Hier haben wir unser eigenes kleines Paradies gefunden.
Hier haben wir unser eigenes kleines Paradies gefunden.

Am Strand vor unserem Ankerplatz entdeckten wir bei einem Landgang ein kleines Paradies. Wind und Wellen haben im Laufe der Zeit den Felsen am Ufer so weit ausgehöhlt, dass nur noch ein großer Torbogen stehenblieb. Ging man hindurch so stand man bis zu den Knien in türkisblauem klarem Wasser und die Füße gruben sich in feinen weißen Sand. Ringsherum war dieses Bassin von meterhohen Felswänden eingeschlossen, so dass man das Gefühl hat, in einem privaten tropischen Salzwasserpool zu baden. Auf der anderen Seite des Durchgangs befand sich eine zehn Meter hohe Felsniesche. Hier schlugen wir an einem Abend unser Lager auf und nach einem Bad im Sonnenuntergang entfachten wir ein Lagerfeuer. Zum Abendessen gab es gegrilltes Hühnchen und dazu gab es Rum aus Kokosnüssen und im Anschluss genossen wir den Blick auf einen Atemberaubenden Sternenhimmel. Wäre es nicht gegen zwei Uhr morgens doch langsam kühl geworden, hätten wir wohl für den Rest unseres Aufenthaltes hier übernachtet. Während unseres Aufenthaltes hielten wir immer wieder Ausschau nach „Shaytan of Tortola“, einer Charteryacht, deren Skipper Heinrich wir in Trinidad kennenlernten, wo er sein Boot ganz in unserer Nähe auf dem Trockenen hatte um mehrere große Projekte in Angriff zu nehmen. Er stand uns mit Rat und Tat bei unseren Projekten zur Seite und Paul half ihm mit unserer Kamera, nach einem Brand im Maschinenraum Photos für die Versicherung zu machen. Bevor wir aus Trinidad absegelten, erfuhren wir, dass er im Mai nach Bequia wollte, um dort weiter an seinem Haus zu arbeiten. Auf dem Rückweg vom Einkaufen entdeckte Paul dann endlich den Zweimaster, doch die Person auf dem Vordeck war nicht Heinrich. Beim näherkommen erkannte er dann Jonas, den wir auch in Trinidad getroffen hatten. Jedoch hatten wir von ihm kein Lebenszeichen mehr erhalten und auch per Mail und Facebook war er nicht aufzufinden. Dementsprechend groß war nun die Wiedersehensfreude und die nächsten Tage gestalteten wir mit Kochen am Strand, Schnorchel-Touren und Ausflügen in die Stadt überwiegend gemeinsam. Schnorcheltour Bequia

Grenada

„Du bist wohl wahnsinnig, oder? Du weißt schon, dass da ein Menschenleben nicht viel Wert ist? Außerdem ist der Ankergrund da besch… . Das könnt ihr doch nicht machen!“ Das war die ernüchternde Reaktion von Heinrich, als Paul ihm von unserem Plan für die Hurrikansaison erzählte. Da all die Schäden und Reparationen am Boot unser Budget arg haben schrumpfen lassen, hatten wir uns dazu entschlossen, Amanda-Trabanthea den Sommer über in Chaguaramas vor Anker zu legen. Linn Charlotte würde an Bord bleiben um auf das Boot aufzupassen und Paul würde noch einmal für fast ein halbes Jahr nach Norwegen fliegen, um dort in der Fabrik unsere Reisekasse wieder aufzufüllen. Der Flug von Trinidad aus war bereits gebucht und bis zum Abflugtermin waren es noch knapp drei Wochen.

Dennoch konnten wir diese Warnung von Heinrich nicht einfach in den Wind schlagen, immerhin kannte er sich wirklich aus und es handelte sich um eine lange Zeit. Also was tun? Antwort wusste Jonas: „Legt das Boot doch nach Hog Island, einem kleinen Inselchen umgeben von Mangroven im Süden von Grenada!“ Hierher kam Jonas mit einem Iraner von Trinidad aus, bevor er für einige Wochen bei Heinrich als Mannschaft angeheuert hatte. Nach einigen Diskussionen entschieden wir uns dann dafür, Amanda wirklich für die Sturmsaison auf Grenada zu lassen.

Hog Island sollte für sechs Monate Amandas und Linn Charlottes Zuhause werden.

Da Jonas gerade auf dem Weg zurück nach Kolumbien war, heuerte er für ein paar Tage bei uns als Mannschaft an, um uns mit den wichtigsten Leuten und den Örtlichkeiten bekannt zu machen. Nach einem entspannten Nachttörn kamen wir gegen neun Uhr morgens auf Hog Island an und ankerten an einem der idyllischsten Plätze, die wir bislang erlebt haben. Um uns herum waren nur Mangroven und die einzige Bebauung bestand aus einer kleinen Strandbar, deren Besitzer das Bier mit dem Boot in zwei großen Kühlboxen voll Eis hier her frachtete und deren Beleuchtung von zwei Autobatterien betrieben wurde.  Wettertechnisch war der Platz nahezu perfekt. Hog Island selbst schirmte die Bucht gegen Südwesten, Grenadas Festland gegen Nordwesten und Nordosten ab. Zwei flache Sandbänke sorgten dafür, dass es auch im unwahrscheinlichen Fall, dass der Wind aus Südosten kommen sollte, am Ankerplatz keine größere Welle geben würde, Amanda-Trabanthea war also von allen Seiten geschützt. Die Vegetation war jedoch so flach, dass der Passatwind die Boote im Ankerplatz noch erreicht, zum einen günstig für den Windgenerator, zum anderen hält es die Temperatur an Bord niedrig. Viel Zeit zum Genießen all dieser Idylle blieb uns jedoch nicht. In wenigen Tagen sollte Paul nach Europa fliegen und es gab noch viel zu erledigen: das Boot musste wetterfest verpackt und verankert und der Flug nach Trinidad musste organisiert werden. Nach seinem letzten Besuch kannte Jonas sich jedoch gut aus und war uns dadurch eine große Hilfe uns zurechtzufinden. Außerdem machte er uns mit einer Menge von Leuten bekannt, die auch die Sturmsaison hier verbringen würden und Linn Charlotte sofort ihre Hilfe anboten, falls sie irgendwas benötigen sollte. Am Abend des 20. Mai war es dann soweit. Nachdem alles eingerichtet war und wir es sogar noch geschafft haben, einen Regenfänger zu bauen, damit Linn Charlotte nicht ständig Wasser von Land holen musste, war die Stunde des Abschieds gekommen. Das erste Mal seit über einem Jahr würden wir uns für mehrere Monate nicht sehen. Vom Flughafen aus machte Linn Charlotte sich das erste Mal allein auf den Weg zur Marina und von dort mit dem Dinghy zu unserer Amanda. Paul würde nach Trinidad fliegen und von dort am nächsten Morgen nach Barbados und weiter nach England. Aus dem Flugzeug konnte Paul noch ein letztes Mal einen Blick auf den Ankerplatz werfen, wo das Schlauchboot als kleiner Punkt hinter Amanda zu erkennen war. Mit einem Lächeln ließ er sich erleichtert in den Sitz sinken, in dem Wissen, dass Linn Charlotte heil an Bord angekommen war.